Werte-Index 2022: Eigene Arbeits- und Lebensentwürfe werden auf den Prüfstand gestellt

Das Ranking des Werte-Index 2022 wird deutlich vom Thema Gesundheit angeführt. Die Einstellung zu ihm durchdringt wie jene zur Nachhaltigkeit alle anderen Werte. Die Auswertung zeigt auch, die Sehnsucht der Menschen nach mehr „Normalität“ und nach veränderten Arbeits- und Lebensmodellen.

Was bewegt uns aktuell? Welche Werte und Themen prägen unsere Gesellschaft? Auf Basis von über 18,8 Millionen Social-Media-Beiträgen ermittelte der Werte-Index 2022 von Bonsai und Trendbüro in der zweiten Jahreshälfte 2021, was den Menschen in der heutigen Zeit besonders wichtig ist. Keine Überraschung: Die Corona-Pandemie hat unseren Alltag massiv verändert – sowohl privat als auch beruflich. Die Krisensituation der vergangenen Monate hat viele Menschen dazu veranlasst, ihre Werte zu hinterfragen und ihr Leben neu auszurichten. Der Werte-Index zeigt nicht nur die Sehnsucht nach der Rückkehr in ein „normales“, freies Leben, sondern auch den Wunsch nach einer selbstbestimmteren und neuorganisierten Arbeitswelt (Stichwort: New Work) sowie einer neuen Vorstellung von Gemeinschaft.

Diese könnte auch im Metaversum liegen – oder besser gesagt, in einem der noch zahlreichen Metaversen (New Horizons, Decentraland, Somnium Space, Cryptovoxels etc.). Immer mehr Nutzer:innen halten sich in den virtuellen Räumen auf, um Kontakte zu pflegen und neue Welten zu kreieren. Die meisten dieser neuen virtuellen Kosmen haben einen Gaming-Charakter wie Roblox oder Sandbox. Besonders die Spieleindustrie hat von den Lockdowns profitiert. Schon lange ist das Gaming keine reine Beschäftigung für Nerds oder Kinder mehr. Laut einer Bitkom-Studie spielen 50 Prozent der Deutschen zumindest hin und wieder Video- oder Computerspiele und das meistens auf dem Smartphone (84 Prozent). Dabei wächst die Gruppe der Gamer über 50 Jahre kontinuierlich – von 33 Prozent im Jahr 2020 auf 40 Prozent im Jahr 2021. Gamification spielt somit auch bei der Entwicklung von Produkten eine größere Rolle als noch Jahre zuvor.

Doch nicht nur die Ablenkungen von der gegenwärtigen Krisensituation bestimmen unser Alltagsgeschehen. Obwohl der Werte-Index 2020 noch von gesellschaftlichen Phänomenen wie dem Influencer-Marketing geprägt war, offenbarte er ebenfalls bereits vor dem Ausbruch von Covid-19 erste Tendenzen einer deutlichen Re-Politisierung, getrieben von der Gen Z. Kurz zusammengefasst, heißt das: weniger Lifestyle, mehr Politik – und das vor allem auf Grund eines höheren Levels an kritischen und reflektierten Meinungsäußerungen.

Wir haben in der Pandemie gelernt, unsere Komfortzone zu verlassen.

Jens Krüger, Herausgeber und CEO von Bonsai Research

Projekt Zuversicht

Diverse weltanschauliche Strömungen und der Verlust verlässlicher Werte verunsichern die Menschen. Während die einen um eine sachliche und wissenschaftlich belegte Debatte bemüht sind, zweifeln gleichzeitig viele eben diese Quellen an. Alternative Fakten und Fake News fallen da bei manchen Menschen auf einen fruchtbaren Boden, denn sie suggerieren den dafür anfälligen Personen, wieder für Orientierung in einer sehr komplex gewordenen Welt zu sorgen und die Oberhand über die Informationsflut zu gewinnen. Die Einheit einer Gesellschaft basiert unter anderem auch auf gemeinsamen Werten. Differieren diese, macht es eine Gesellschaft auf der einen Seite vielfältiger, aber auf der anderen Seite auch gespaltener.

Der Werte-Index 2022 blickt aber keineswegs pessimistisch in die Zukunft. Jens Krüger, Herausgeber und CEO von Bonsai Research, sagt: „Wir haben in der Pandemie gelernt, unsere Komfortzone zu verlassen. Wir haben uns in diesen Jahren in Resilienz geübt. Angesichts der vielen Krisen und Kriege, auf der Welt und nun auch im Herzen von Europa, scheinen wir uns schneller anpassen zu können. Dieser Umstand lässt uns zuversichtlich in die Zukunft schauen – trotz und vielleicht gerade wegen dieser Zäsuren sind wir als Menschen wieder frei in der Gestaltung unserer Zukunft wider alle Normalität. Projekt Zuversicht hat begonnen.“ Und so lautet auch der Untertitel des Werte-Index-Updates.

Das Thema Gesundheit ist omnipräsent

Seit Corona ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Gesundheit allgegenwärtig geworden. Und so ist es nicht verwunderlich, dass dieser Wert die Top 10 des Werte-Index anführt und auch andere Themen berührt. Die Beschäftigung mit der eigenen physischen und psychischen Verletzlichkeit sowie der persönlichen Resilienz zieht sich nämlich durch sämtliche Werte. Sie betrifft nicht nur das Individuum, sondern auch seine Umwelt. Die Sorge um sich selbst und seine Familie und Freunde prägt uns. Die Frage „Was fördert eine regenerative Lebensweise?“ ist bei dieser Entwicklung ganz zentral. Sie findet sich mittlerweile in einer Vielzahl an angebotenen Dienstleistungen und Produkten wieder, wie zum Beispiel in zahlreichen DiGAs. Auch die Ansprüche an die eigene Klimabilanz und die von Unternehmen/Arbeitgebern wachsen.

Bei der näheren Betrachtung der Gespräche zum Wert Gesundheit via Social Media wird deutlich, dass sie sich zu 50 Prozent mit dem Thema Corona beschäftigen – speziell geht es um Fragen zu den möglichen individuellen (Langzeit-)Folgen als auch den Implikationen für die Gesellschaft. Ebenso wird über die Gesundheitspolitik der Regierungen intensiver gesprochen (14 %). Das Thema Gesundheit im Alltag ist präsenter und manifestiert sich mit der Grußformel „Bleib gesund“ auch in der Sprache (10 %). Reine Lifestyle-Themen wie noch in den Jahren davor spielen kaum eine Rolle: Lediglich 3 % der Beiträge beschäftigen sich mit diesem Thema.

Familie, Freiheit, Erfolg und Sicherheit in der Top 5

Im Ranking des Werte-Index folgen dem Spitzenreiter Gesundheit die Werte Freiheit, Familie, Erfolg, Sicherheit, Gemeinschaft, Natur, Anerkennung, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit. Die Top 10 zeigt die Bedeutung der einzelnen Werte nach der Quantität der jeweiligen Diskussionen (Anzahl der Beiträge). Während sich der Wert Gesundheit weiterhin auf Rang 1 behaupten kann, gibt es bei anderen Werten im Jahresvergleich zum Teil Verschiebungen: Der Wert Familie fällt von Platz 2 auf 3, der Wert Freiheit hat in der öffentlichen Diskussion gewonnen und steigt von Rang 4 auf Rang 2. Erstaunlicherweise hat es der Wert Nachhaltigkeit diesmal nicht in die Top 10 geschafft. Das Thema durchdringe aber alle anderen Werte, so die Studienverantwortlichen. Die Detailanalyse der einzelnen Konversationen belege, dass alle Werte aktuell neu verhandelt werden – sei es in der Familie oder in der Politik. Die Menschen hätten erkannt, dass es einen Weg zurück ins das alte Normal nicht mehr geben werde. Die Zeichen stehen somit auf Veränderung: politisch, gesellschaftlich und privat.

Clutch-Redaktion