Kein Tag vergeht, an dem nicht etwas zum Metaverse vermeldet wird. Meistens handelt es sich dabei um eine Fashion Brand, die einen Shop eröffnet oder Grundstücke und NFTs, die für Millionenbeträge den Besitzer oder die Besitzerin wechseln. Spätestens nachdem Facebook-Chef Mark Zuckerberg verkündete, seinen Konzern in „Meta“ umzubenennen und seine Vision eines Metaversums darlegte, ist das Thema in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Zuckerberg experimentiert bereits mit einer eigenen 3D-Welt namens Horizon Worlds, die die Nutzer:innen mit VR-Brillen betreten können. Sie ist seit Dezember 2021 für alle Bürger:innen in den USA und Kanada zugänglich − befindet sich aber noch in der Betaphase.
Während sich die Medien in den vergangenen Monaten mit Metaverse-Nachrichten überschlugen, reifte in uns als PR-Agentur für Internettechnologieunternehmen die Überlegung: Wie wäre es, mit Frau Wenk im Metaversum präsent zu sein? Man könnte dort, wie Microsoft es schon konkret plant, Kunden- und Mitarbeiter-Meetings als 3D-Avatar abhalten. Warum nicht? Schließlich versteht sich Frau Wenk als Early Adopter der digitalen Welt. Doch bei näherer Betrachtung des Phänomens Metaversum wurde uns schnell klar: Es gibt nicht DAS Metaversum, in dem Realität und Virtualität verschmelzen und das ein eigenes Ökosystem besitzt. Stattdessen existieren aktuell viele Prototypen, die meist auf einem Gaming-Charakter basieren wie Axie Infinity, Minecraft, Fortnite oder Roblox.
Roblox: Spielerisch ins Metaversum
Die Plattform Roblox fällt beim Thema Metaversen sofort ins Auge, weil sie hierzulande in der jungen Zielgruppe absolut im Trend liegt. Die von David Baszucki und Erik Cassel entwickelte virtuelle Parallelwelt ging im September 2006 on Air und gewinnt seither stetig an Fans. Mit Hilfe des Roblox Studios‘ können Nutzende eigene Spielwelten erstellen und für andere öffentlich zur Verfügung stellen. Mittlerweile sollen über 9,5 Millionen Entwickler:innen mehr als 40 Millionen Spielerlebnisse geschaffen haben. 2020 nutzten nach eigenen Angaben monatlich über 100 Millionen aktive Nutzer:innen Roblox. Der Umsatz lag zu diesem Zeitpunkt bei 920 Millionen US-Dollar.
Einige Marken haben sich bereits ein Plätzchen im Spiele-Universum von Roblox gesichert. Nike hat dort beispielsweise das sogenannte Nikeland (angelehnt an das Nike Headquarter) geschaffen, das Sport und Spiel in einen Lifestyle verwandeln soll, wie der Sporthersteller auf seiner Website schreibt. In seiner Markenwelt bietet Nike zum einen Minispiele an, zum anderen können Kreative mit einem Toolkit ihre eigenen Mini-Games aus interaktiven Sportmaterialien entwickeln. Ganz klar: Wer sich in der Roblox-Welt ansiedeln möchte, muss eine spielerische Absicht verfolgen – wie weit sie auch immer vom eigentlichen Gaming-Gedanken entfernt ist, wie das Beispiel Gucci zeigt. Das Modehaus hat 2021 mit dem Gucci Garden ein 14-tägiges Erlebnis kreiert: Im eigenen temporären Store wurden Besucher:innen exklusive limitierte Avatar-Items zum Kauf angeboten. Die Spielewelt bietet also mittlerweile mehr als Gaming an, nämlich auch Ausstellungen und Konzerte, beispielsweise von der Band Twenty One Pilots. Als Metaversum-Interessierte ist es wichtig, Roblox als wichtigen Player im Auge zu behalten, aber als virtueller Agenturstandort kommt diese 3D-Welt für uns nicht in Frage.
Monetize your Property
Interessanter scheinen da so bekannte Plattformen wie Decentraland und The Sandbox, die sich an eine ältere Zielgruppe richten. Letztere wurde ursprünglich 2012 von Pixowl als Videospiel für iOS und Android konzipiert und 2018 von Animoca Brands übernommen. Mittlerweile ordnet sie sich bei den PlaytoEarn-Games ein. Das heißt, Spieler:innen können dort ihre Tätigkeiten und Güter auf unterschiedliche Arten monetarisieren. Insbesondere die virtuellen Grundstücke sind bei Sandbox heiß begehrt. Gehandelt wird in der dazugehörigen Kryptowährung SAND. Fun Fact: Im Dezember 2021 verkaufte Spielehersteller Atari sein Sandbox-Grundstück an die US-amerikanische Immobilienfirma Republic Realm für sage und schreibe 4,3 Millionen Dollar. Laut OMR gibt es derzeit rund 12.000 Landeigentümer bei Sandbox. Die Hälfte aller Parzellen ginge für einen Preis zwischen 10.000 und 15.000 Dollar über den virtuellen Ladentisch. Adidas hat beim Metaverse-Spielplatz schon zugegriffen und sich ein eigenes Stückland gesichert. Medienformate wie The Walking Dead, die Schlümpfe oder die Glücksbärchis sind dort ebenfalls vertreten − und sogar US-Rapper Snoop Dogg, der dort sein Snoopverse aufgebaut hat. In die Nachbarschaft von Snoop zu ziehen, klingt zunächst interessant, aber ist uns dann doch zu abgedreht und verspielt.
Adland in Decentraland
Deshalb schauen wir uns in Decentraland um. Aufmerksam sind wir auf dieses Metaversum geworden, nachdem wir die Twitter-Aktion des Londoner Kreativ-Duos Very Serious Partners gesehen hatten. Dort haben nämlich Oliver Finel und Alex Morris bekannten Werbe- und Mediaagenturen angeboten, ein Büro im Adland-Gebäude in Decentraland zu erwerben. Adland liegt im Viertel Voltaire, in der Nähe des Spiele-Publishers SuperRare und der Kunstgalerie des Auktionshauses Sotheby’s. Kostenpunkt? Wer die Jungs beauftragt, erhält mietfrei ein Büro. In einem Video geben die beiden einen kleinen Vorgeschmack, wie es im Adland-Gebäude aussehen könnte. Bislang hat unseres Wissens noch keine der angesprochenen Agenturen (u.a. Jung von Matt und Media Monks) eine Präsenz in Adland. PR-Experten sind nicht unter den neun angesprochenen Agenturen. Unsere Chance? Leider nein. Für uns macht es keinen Sinn, Very Serious Partner zu engagieren und die Immobilienpreise in Decentraland sind jenseits unseres Budgets. Das 2015 von den Argentiniern Ari Meilich und Esteban Ordano gegründet Metaverse besteht aus 90.601 Parzellen, die inzwischen schwindelerregende Immobilienpreise erzielen. Wie bei The Sandbox sind die virtuellen Immobilien NFTs, die in Decentraland mit der Kryptowährung MANA gekauft werden können, die auf der Ethereum–Blockchain basiert.
Als Decentraland 2017 in der Beta-Phase startete, verkauften die Entwickler virtuelle Grundstücke für nur 20 US-Dollar. Nach dem NFT-Boom in den Jahren 2020 und 2021 stiegen die Preise. So kosten die begehrtesten digitalen Immobilien in Decentraland mehr als 100.000 US-Dollar. Im Juni 2021 zahlte das in New York ansässige digitale Immobilien-Investmentunternehmen Republic Realm mehr als 900.000 US-Dollar für 259 Parzellen. Es ist geplant, diese in ein virtuelles Einkaufsviertel namens Metajuku zu verwandeln. Vorbild ist das reale Einkaufsviertel Harajuku in Tokio.
Auch Marken oder Staaten schätzen Decentraland. Der Elektronikhersteller Samsung will dort den 837X Shop eröffnen, eine Kopie seines populären Stores in Manhatten. Dort wird man nicht nur regelmäßig an NFT-Gewinnspielen teilnehmen können, sondern künftig wohl auch Musik-Streaming-Events erleben. Samsung verspricht „eine Reise, die Technologie, Kunst, Mode, Musik und Nachhaltigkeit vereint“. Und der Staat Barbados kündigte im September 2021 an, eine digitale Botschaft in Decentraland zu errichten. Wen wundert’s, dass durch diese Ansiedelungen die Immobilienpreise weiter nach oben klettern.
Wie der US-Nachrichtensender CNBC Anfang Februar 2022 berichtet, wurden in den verschiedenen Metaversen im Jahr 2021 insgesamt satte 500 Millionen US-Dollar für virtuelle Grundstücke ausgegeben (neben The Sandbox und Decentraland gehören Cryptovoxels und Somnium zu den größten). Experten gehen davon aus, dass sich der Umsatz mit Grundstücken und Immobilien im Jahr 2022 nochmal verdoppeln und 1 Milliarde erreichen wird! Bis 2028 erwarten sie ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 31 Prozent. In Sandbox stünden aktuell beispielsweise einige Inseln für 100.000 US-Dollar zum Verkauf. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die virtuellen Grundstücke und Immobilien ihr Geld wirklich wert sind. Und das tun wir – abwarten und die extrem schnelle Entwicklung der Metaversen mit Faszination und Sachverstand beobachten.
Hinweis in eigener Sache: Clutch ist Teil der PR-Agentur Frau Wenk, deren Geschäftsführerin Andrea Buzzi auch Herausgeberin von Clutch ist.