Operation im Metaverse

Können Chirurg:innen eigentlich auch remote arbeiten? Dank Augmented Reality und 5G ist das kein Problem mehr: In Portugal wurde erstmals eine OP durchgeführt, bei der einer der operierenden Ärzte über 900 km weit weg in Spanien war.

Als Chirurg Pedro Gouveia am 5. Mai 2022 den Operationssaal der Champalimaud Foundation in Lissabon betritt, steht ihm eine Brustkrebs-OP bevor, wie er sie schon oft durchgeführt hat. Und doch ist dieses Mal ein entscheidendes Detail anders: Der zweite Operateur, Rogelio Andrés-Luna, befindet sich in Saragossa auf der Bühne eines medizinischen Kongresses. Sein portugiesischer Kollege trägt während der gesamten Operation eine Hololens-Brille, mit der Andrés-Luna per Laptop über ein 5G-Netz verbunden ist. Da 5G die Latenzzeit nahezu auf null reduziert, kann Andrés-Luna an der OP teilnehmen und Gouveia assistieren. So kann er beispielsweise mittels einer virtuellen Linie, die Andrés-Luna auf seinem Laptop zeichnet, über die VR-Brille sehen, wo der erste Schnitt angesetzt werden sollte. Zudem zeigt ihm das Display der Brille Bilder und Videos früherer OPs, um ihn bei besonders schwierigen Abschnitten zu unterstützen.

Remote-Proctoring verändert die Zukunft der medizinischen Ausbildung

„Wir haben das weltweit erste Live-Experiment während einer Brustkrebsoperation durchgeführt, und zwar mit dem, was wir ‚Remote Proctoring‘ nennen“, erklärte Pedro Gouveia im Nachgang der OP. Das Verfahren hat das Potenzial, die zukünftige Ausbildung von Chirurg:innen nachhaltig zu verändern. So wird Studierenden nicht nur eine realistischere Ausbildung ermöglicht, sondern junge Chirurg:innen können auch bei ihren ersten Operationen von erfahrenen Kolleg:innen profitieren, auch wenn diese selbst nicht körperlich anwesend sind. „Die Durchbrüche, die immersive Technologien durch Remote Mentoring/Proctoring bringen werden, eröffnen eine neue Ära: die des Einsatzes des so genannten ‚Metaversums‘ in der postgradualen medizinischen Ausbildung“, betont Gouveia.

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Video-Link: https://twitter.com/ChampalimaudF/status/1522607640970510337

AR-gestützte Operationen

Gouveia gilt als Pionier auf dem Gebiet der Mixed-Reality-Operationen. Bereits 2020 hat der portugiesische Arzt ein Verfahren entwickelt, bei dem mittels eines Augmented-Reality-Headsets ein exaktes Modell des Tumors auf den Körper der Patientinnen projiziert wird, um die exakte Lage anzuzeigen. Dafür werden MRT-Bilder des Tumors mit einem 3D-Scan des Oberkörpers der Patientin verschmolzen. Liegt die Patientin dann in Rückenlage auf dem Operationstisch, ist der Tumor für denjenigen, der die VR-Brille trägt so sichtbar, als sei das umliegende Gewebe transparent. Bisher musste die Position des Tumors aus zweidimensionalen Bildern abgeleitet und mit Hilfe von invasiven, zum Teil sehr schmerzhaften Eingriffen außen auf dem Körper markiert werden.

Damit der Operationssaal der Zukunft als multimedialer Raum Gestalt annehmen kann, bedarf es aber noch weiterer Versuche und Optimierungen, räumt Pedro Gouveia ein. „Wir stehen erst am Anfang dieser Transformation.“

Clutch-Redaktion