Kassensturz: „Eine Zukunft mit KI ist etwas, das wir aktiv gestalten können“

Mit dem KI-Special von Clutch haben wir es uns auch zur Aufgabe gemacht, den Begriff ‚künstliche Intelligenz‘ zu entmystifizieren und Ängsten ob der Komplexität des Themas mit Sachlichkeit zu begegnen. Zu Beginn des Heftes halten wir kurz inne, betrachten das Vergangene und werfen einen Blick in die Zukunft. Wo stehen wir heute? Was kommt auf uns zu? Eine Zwischenbilanz, ein Kassensturz eben. Dazu haben wir Menschen aus digitaler Wirtschaft, Politik und der Medienbranche gefragt, wie sie Chancen und Risiken der neuen Technologien einschätzen. Vor allem aber wollten wir von ihnen wissen: Sollten wir Angst haben vor KI?

Pina Meisel, Communications Manager Artificial Intelligence & Innovation, Microsoft Deutschland

„Wenn ich mit Menschen über künstliche Intelligenz spreche, gibt es eine große Bandbreite an Meinungen. Von ‚KI wird uns dabei helfen, große Probleme der Menschheit zu lösen – zum Beispiel bei der Behandlung von Krebs oder beim Klimaschutz‘, bis zu ‚am Ende wird jeder Job von einer KI übernommen, und wenn diese dann alle Entscheidungen trifft, sich sogar selbst weiterentwickelt, dann ist der Mensch überflüssig‘.

Was ich großartig finde: Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit dem Thema. Und das nicht nur innerhalb meiner eigenen Tech-Filterblase. Die Diskussionen umfassen Fragen zu Verantwortlichkeiten, Aufgaben, Chancen, die wir ergreifen und Grenzen, die wir setzen sollten. KI, oder zumindest ihre Anfänge, ist in der Gesellschaft angekommen. Anstatt die Entwicklung zu ignorieren oder zu verwünschen, muss es nun darum gehen, dass wir möglichst viele Menschen befähigen und dazu aufrufen, sich aktiv einzubringen.

Indem wir alle – nicht nur Experten, Forschungsinstitute, Unternehmen oder Regierungen – uns mit KI auseinandersetzen, stellen wir sicher, dass wir dieses umfassende Thema mit der notwendigen Diversity und Sorgfalt angehen. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass Zukunft – und gerade eine Zukunft mit KI – nicht etwas ist, das uns einfach geschieht, sondern etwas, das wir aktiv gestalten können.“

Nico Lumma, Managing Partner, Next Media Accelerator

„Angst vor KI ist völlig unbegründet, Neugier wäre allerdings hilfreich. KI wird viele Branchen elementar umkrempeln und man sollte sich daher frühzeitig damit auseinandersetzen und die geeigneten Schritte im Unternehmen umsetzen.“

Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär

„Natürlich sollten wir keine Angst vor KI haben. Aber wir müssen den Anspruch haben, sie zu gestalten. Taktgeber ist heute noch immer das Silicon Valley. Dicht dahinter: China. Weder die einen noch die anderen verfolgen dabei unsere Werte.

Aber wir als Europa können einen dritten Weg gehen. Einen Weg, der die Chancen der Digitalisierung in den Mittelpunkt stellt und auf unseren Grundwerten basiert, der Datenschutz und Kontrolle garantiert. Ich will, dass KI den Menschen nutzt. Ich will für alle bessere Bildung, bessere Arbeit, bessere Pflege, besseren Klimaschutz und besseres Altwerden, kurz ein besseres Leben – auf dem Land und in der Stadt. Und ich bin überzeugt, dass wir all das erreichen können, wenn wir uns die Digitalisierung und KI zunutze machen. Damit wir das umsetzen, braucht es jetzt politische Führung und den Willen, Digitalisierung zu gestalten, gepaart mit schnellen Entscheidungen, massiven Investitionen und der richtigen Grundhaltung. Wir wollen Vorreiter im Bereich künstliche Intelligenz sein. Unser Anspruch muss sein: Ausruhen gilt nicht!“

Willms Buhse, Gründer und CEO der Managementberatung doubleYUU und der d-cademy

„Die Leistungen von KI sind beachtlich und dem Menschen in Punkto Informationsverarbeitung um Dimensionen überlegen. Und trotzdem: Deutsche Ingenieure sprechen nicht gleich vom autonomen Fahren sondern eher von Assistenzsystemen. Und damit ist mir Stand heute in den meisten Fällen wohler, auch wenn KI einfach viel schneller entscheiden kann als der Mensch. Dieser Ansatz scheint mir gesellschaftlich verträglicher als die Verantwortung komplett an Maschinen abzugeben. Für mich habe ich entschieden, solange KI noch Spam von Erbschaften aus Afrika zu mir durchlässt, übernehme ich lieber weiter die Verantwortung bei wesentlichen Entscheidungen.“

Yvonne Hofstetter, Geschäftsführerin, Teramark Technologies, und Autorin von „Das Ende der Demokratie“

„Mathematische Objekte bereiten Ihnen schlaflose Nächte? Näherungs-verfahren machen Ihnen Angst? Angst ist das Gefühl unserer Zeit. Angst lässt sich politisch nutzen. Aber in der Mathematik ist kein Raum für Angst. Mathematik ist die Musik der Vernunft, sagte der Brite James Joseph Sylvester einst. Die künstlichen neuronalen Netze der KI sind nichts weiter als Funktionsapproximation und Mathematik in ihrer schönsten Form. Wir müssen keine Angst vor ihnen haben.Gefährlich wird KI, wenn sie einfach verpackt und kostenlos für jedermann zugänglich ist. Dann ist die Versuchung groß, sie in Geschäftsmodellen, die gegen das Recht verstoßen, einzubauen. Dann kann eine KI-basierte Gesichtserkennung tatsächlich eher ein diktatorisches Regime zementieren als unsere Freiheit respektieren. Das Gebot der Stunde: nachdenken, hinsehen und erst dann KI bauen.“

Achim Himmelreich, Vizepräsident Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.

„Viele Konsumenten fürchten sich davor, die Entscheidungsgewalt und Kontrolle an eine scheinbar undurchschaubare Instanz abzugeben. Dabei muss sich niemand von der Art und Weise, wie diese Informationen dargelegt werden, überfordert fühlen. Der digitalen Wirtschaft kommt hierbei die Rolle zu, ihre datengetriebenen Modelle an dieser Maxime auszurichten, Vertrauen zu schaffen und dem Gefühl des Kontrollverlustes durch Transparenz entgegen zu wirken. Darüber hinaus müssen wir vor allem auch ethische Fragestellungen vielleicht noch etwas stärker als bei anderen technischen Neuerungen mit einbeziehen. Unsere Aufgabe wird sein, unsere bestehenden ethischen Grundsätze auf neue Technologien und Entwicklung wie KI zu übertragen. Die gesamtgesellschaftlich größte Herausforderung besteht aber in der sozialethischen Gestaltung des Strukturwandels, denn dieser wird sich nicht wie die Industrialisierung in einem Jahrhundert, sondern in maximal zwei Jahrzehnten vollziehen.“

Das Clutch KI-Special ist ab sofort verfügbar und kann online bestellt oder per Mail an clutch-mag@frauwenk.de angefordert werden.

(Beitragsbild: Pina Meisel, Communications Manager Artificial Intelligence & Innovation, Microsoft Deutschland, Credit: Lena Rogl)

Clutch-Redaktion