Von Alexander Becker.
Meinungen und Zahlen sind wichtige Schmiermittel – für den Journalismus, die Werbung, die Public Relations, aber auch das Marketing und die Produktentwicklung. Und eine anständige Umfrage kann beides liefen.
Eine solide Befragung hat fast schon magische Fähigkeiten. Sie stützt die eigene Argumentation, kann verkaufsfördernde Kräfte entwickeln oder überhaupt erst einmal dabei helfen, richtige Management-Entscheidungen zu treffen. In der Kommunikation ist eine interessante Daten-Geschichte oftmals der effektivste Türöffner, um für Berichterstattung zu sorgen. Jedes noch so gewöhnliche Unternehmen kann es mit einer unterhaltsamen Zahlen-Geschichte in die Medien schaffen.
Das Wissen um die Macht von Umfragen, ist keine Geheimwissenschaft. Die Herausforderung liegt vielmehr in der Studie selbst. Wie führt man sie durch, wem stellt man wann, wie und wo welche Frage, um ein brauchbares Ergebnis zu erhalten?
Marktforschung goes Mobile
Dieses Setting war bislang stets mit relativ viel Zeit- und Geldaufwand verbunden. Umfragen sind teuer und bei der Konzeption steckt der Teufel meistens im Detail. Das Hamburger Start-up Appinio will dies allerdings ändern. Die Hanseaten bieten Umfragen via Smartphone. Innerhalb von Minuten fragen sie die Meinung ihrer Nutzer mobil ab und liefern entsprechende Ergebnisse.
„Ich arbeitete im Brand Marketing eines multinationalen Konzerns und im Grunde fällten wir fast alle Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Für ernsthafte Kundenbefragungen, schnelles Testen von Konzepten oder ähnliches fehlte uns immer die Zeit“, erklärt Jonathan Kurfess gegenüber CLUTCH die Entstehungsgeschichte. „Aus dieser Erkenntnis heraus entschlossen wir uns dann Ende 2014, unser Start-up hochzuziehen.“
Keine schlechte Entscheidung. Denn zu den Kunden gehören mittlerweile große Konzerne wie Unilever, Edeka oder auch die Telekom. In deren Auftrag befragen die Hamburger mittlerweile 800.000 Nutzer in 40 Ländern.
Grundsätzlich splittet sich Appinio, der Name setzt sich aus App und Opinion (also Meinung) zusammen, in zwei Teile. Zum einen ist die Company ein Marktforschungsdienstleiter, der Unternehmen schnell und unkompliziert Antworten auf deren Fragen liefert. Eine Dienstleistung, die sich die Hamburger auch bezahlen lassen.
Zum anderen ist Appinio jedoch auch eine Community, die darauf angewiesen ist, die Nutzer bei Laune zu halten. Denn der Corporate-Teil des Geschäftsmodells funktioniert nur, wenn stets genügend Nutzer bereit sind, schnell und via Smartphone Fragen zu beantworten.
Der Trick liegt in einem spielerischen Ansatz (Gamification) mit Belohnungen, Auszeichnungen und einer Level-Struktur sowie der Möglichkeit, auch einzelnen Nutzern und ihren Fragen zu folgen. Zudem geben sich die Macher große Mühe, dass die App nicht das Gefühl vermittelt, dass es sich um Marktforschung handelt. Stattdessen beantworten die Mitglieder die meiste Zeit über kurze Multiple-Choice-Fragen und sehen direkt nach Antwortabgabe, wie die anderen Teilnehmer abgestimmt haben. Denn einer der Haupttreiber von Appinio ist der Meinungsvergleich der User.
„Jeder Mensch hat das tiefe Bedürfnis, seine Meinung zu sagen. Aber gleichzeitig will er auch immer seine Meinung mit den Ansichten der Anderen abgleichen“, erklärt Kurfess. „Genau nach diesem Prinzip funktioniert unsere App. Zusätzlich können User an richtigen Umfragen teilnehmen und damit Spendenprojekte unterstützen.“
Aus dieser Logik heraus sind die Macher zudem davon überzeugt, dass sie mit ihrer internationalen Meinungsplattform einen ernsthaften Beitrag zur Völkerverständigung leisten. Immerhin bringen sie Menschen und ihre Ansichten über alle Grenzen hinweg zusammen.
Bei uns herrscht das maximale Transparenz-Prinzip.
Aus Sicht der Unternehmen bietet das Tool den Vorteil, dass sich die Zielgruppen sehr gut eingrenzen lassen. So ist es möglich nur Frauen zwischen 30 und 40 Jahren zu befragen, die sich vegan ernähren oder gerne Kaffee trinken.
Die Preise einer Umfrage variieren dabei. Entscheidend sind Faktoren, wie die Anzahl der Fragen, die Zielgruppe und deren Eingrenzung. So kostet eine Umfrage mit 1.000 Teilnehmern (Männer und Frauen, zwischen 14 und 60 Jahren) 1.000 Euro. Möchte man nun die Zielgruppe um eine Eigenschaft (Veganer, Kaffeetrinker etc.) eingrenzen, erhöht sich der Preis auf 3.000 Euro.
Appinio setzt das Tool auch für Eigen-PR ein. Um die Aufmerksamkeit in eigener Sache zu steigern, fragen die Hamburger ihre Nutzer beispielsweise nach deren Einstellung zu einer Tamponsteuer (89 Prozent sind dagegen), die Produktivität am Arbeitsplatz oder Online-Dating. Alleine das zeigt: Mit einer guten Umfrage lässt sich immer Aufmerksamkeit generieren. Gleichzeitig gilt jedoch auch der Winston Churchill-Spruch, dass er niemals einer Statistik glauben würde, die er nicht selbst frisiert hätte – ein Umstand, mit dem auch die Hamburger zu kämpfen haben. Allerdings sagt Kurfess: „In der Welt der klassischen Markforschungsanbieter gibt es die sogenannte Institutsgewichtung, die für den Außenstehenden immer eine völlig intransparente Blackbox ist.“ Das sei bei Appinio anders: „Bei uns herrscht das maximale Transparenz-Prinzip: Jeder kann jederzeit die Ergebnisse live verfolgen.“
Dieser Text ist Teil der neuen Serie #TechMadeInGermany.
Bislang erschienen sind dabei unter anderem Stücke über Lilium, ApiOmat und Showheroes.
(Beitragsbild: Appinio)