Ad-hoc-Expertenumfrage: Klares Votum für eine Corona-App

Update (12. Juni 2020): Mit fast zweimonatiger Verspätung ist es endlich soweit: Die Corona-App kommt. Entwickelt von der Telekom und SAP (kosten rund 20 Millionen Euro) kommt es nun darauf an, dass möglichst viele Menschen das Handy-Programm auch herunterladen und nutzen. „Wenn ja, kann sie ein wesentlicher Schritt zu einem mehr an Digitalisierung sein und helfen die deutsche Technikskepsis in der Gesundheitsbranche abzubauen. Eigentlich sollte eine Gesundheits-App so selbstverständlich wie eine Wetter-App sein“, kommentiert Digital-Experten wie Willms Buhse.

Bereits vor zwei Monaten (8. April 2020) hatten wir Digital- und Datenexperten gefragt, was sie von einer Tracking-App halten und ob sie diese nutzen würden.

Die Agentur Frau Wenk hat ad hoc ein Meinungsbild unter 39 deutschen Digital- und Datenexperten zum Thema eingeholt und sie gefragt: Was wiegt höher, der individuelle Datenschutz oder das Wohl der Gesellschaft?

Gut zwei Drittel der Befragten (69 Prozent) befürworten die Corona-App auf freiwilliger Basis, weitere 26 Prozent sind sogar der Meinung, dass diese zur Pflicht werden sollte. Lediglich einer der befragten Experten gab zu bedenken, dass eine solche App die Ängste der Bevölkerung vor dem Virus zusätzlich befeuern könnte. Fast alle Befragten (97 Prozent) würden die Anti-Corona-App privat installieren und nutzen.

Eine europäische Lösung für eine App steht nun offenbar kurz vor dem Start. Chris Boos, einer der führenden Forscher des Projektes PEPP-PT kündigte gegenüber der dpa eine entsprechende Software für Mitte April an. PEPP-PT ist eine Plattform, die in Corona-Apps integriert werden soll und technisch auf der Bluetooth-Technologie andere Smartphones in unmittelbarer Nähe trackt.

In Singapur kommt eine entsprechende Anti-Corona-App bereits erfolgreich zum Einsatz. Sie hat gezeigt, dass eine solche Lösung dabei helfen kann, schneller Kontaktpersonen von Infizierten zu ermitteln und so die Verbreitung des Virus weiter einzudämmen.

Öffnet eine Corona-App datengetriebenen Geschäftsmodellen die Tür?

Eine weitere Frage, der die Agentur Frau Wenk in ihrer Umfrage nachgegangen ist, ist die, wie es nach Corona wohl weitergeht und ob eine Corona-App auch ein Türöffner für mehr Akzeptanz von datengetriebenen Geschäftsmodellen sein kann. Das meinen die Digitalexperten:

Alexander Mühl, Chief Digital Officer bei TBWA\ Germany (Bild: Jürgen Schulzki)

Alexander Mühl, Chief Digital Officer bei TBWA\ Germany: „Meiner Einschätzung nach hatten solche Geschäftsmodelle in der deutschen Öffentlichkeit vor allem ein Problem: Sie stießen auf eine intuitiv ablehnende Haltung, oft gespeist aus eher diffusen Ängsten. Die Corona-Krise hat ein Gefühl der Dringlichkeit geschaffen, das uns datengetriebene Maßnahmen zuerst nach dem Kriterium der Nützlichkeit bewerten lässt. Und dann erst bei der Frage der Umsetzung die unverändert wichtigen Datenschutzaspekte in den Blick nimmt. Und ich denke und hoffe, dass uns in der Zukunft diese umgekehrte Reihenfolge bei der Bewertung erhalten bleibt.“

Dennis Wagner, CTO bei Denton Systems: „Ich denke nicht, dass eine Corona-App ein Türöffner für datengetriebene Geschäftsmodelle sein wird, eher ein Puzzleteil eines großen Ganzen. Letztlich muss daran gearbeitet werden, wie das Thema Datenschutz den Menschen präsentiert wird. Die Medien und Politik forcieren nur Kapselung der Daten und die Angst der Leute, diese für gewisse Zwecke, wie Forschung und Wissenschaft, freizugeben. Es mangelt ihr eher an der Kommunikation und Aufklärung, was Daten bedeuten und wie sie verarbeitet werden. Keine Forschungseinrichtung verwendet Klartext-Informationen für Studien. Letztlich muss den Leuten gezeigt werden, wie wichtig das Teilen von Daten ist und dass diese auch sicher und datenschutzkonform verarbeitet werden. Ausnahmen gibt es immer, siehe Facebook, aber die Leute, die sich aufregen sind doch trotzdem bei Facebook.“

Markus Schindler, Head of Sales & Marketing bei hurra.com

Markus Schindler, Head of Sales & Marketing bei hurra.com: „Unsere Gesellschaft hat einen gewissen Hang zu irrationaler Panik vor schnell eintretenden Veränderungen: Dies gilt für die aktuelle Corona-Pandemie wie auch für die zunehmende Digitalisierung mit all ihren Datenschutzfragen. Dabei dominieren häufig Angst und Unsicherheit. Jeder Fortschritt und jede Veränderung bringt immer beides mit sich — eine gewisse Chance, aber auch ein gewisses Risiko! Dies gilt es sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Anstatt mit überzogenen, einseitigen Horror-Meldungen zu dramatisieren und zu manipulieren, wäre eine sachliche, gegenüberstellende Aufklärung der Bevölkerung und ein konsequentes, nachvollziehbares Handeln nach klaren Wertvorstellungen sicher zielführender. Dann könnte sich jeder intelligente Bürger frei entscheiden, den bestmöglichen Weg freiwillig mit zu tragen. Egal, um was es gerade geht!“

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Clutch-Redaktion