Von Felix Buske
Das Jahr 2005: Netflix verdient sein Geld mit dem Online-Verleih von DVDs, das erste iPhone ist noch gar nicht auf dem Markt und in vielen Wohnzimmern Deutschlands stehen Röhrenfernseher mit einem 4:3-Bildverhältnis. Im selben Jahr machen es sich die Medienprofis Tobias Fröhlich und Oliver Koch (zuvor unter anderem Executive Producer bzw. Head of Marketing bei MME) zur Aufgabe, die Fernsehbranche grundlegend umzukrempeln.
„Das klassische TV-Geschäft stand 2005 vor großen Veränderungen. Neue Infrastrukturen wurden aufgebaut und Video-Interaktion wurde auf immer mehr Devices möglich. Das wollten wir damals schon vorantreiben und nicht noch ein Nachmittagsformat konzipieren oder bei einer weiteren Reality-Show ein Telefon-Voting umsetzen. Wir wollten etwas Neues schaffen und schnellstmöglich loslegen“, erinnert sich Tobias Fröhlich.
Die persönliche Motivation war gegeben, einen Unternehmensnamen mussten Koch und Fröhlich erst noch finden. Und dieser sollte nach Ansicht der beiden Gründer in jedem Fall das Akronym „TV“ enthalten. „Bei unserer Internetrecherche stießen wir dann unter anderem auf ‚TeraVolt‘, was so viel wie ‚10 hoch 12 Strom‘ bedeutet. Und wir standen unter Strom, das Fernsehen zu verändern ”, sagt Fröhlich.
Somit war auch der Name beschlossene Sache. Im April 2006 gründeten Koch und Fröhlich dann die TeraVolt GmbH und gewannen mit ihrer Begeisterung ein echtes Branchen-Schwergewicht als ersten Kunden: Die Deutsche Telekom. Sie übertrug damals mit ihrem IPTV- Sender LIGAtotal! die Spiele der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga und TeraVolt steuerte dazu das Produkt „interaktive Bundesliga“ bei. Dieses Feature ermöglichte es den Zuschauern, aus den einzelnen Spielen ihre persönliche Konferenzschaltung zusammenzustellen.
Die Partnerschaft zur Deutschen Telekom besteht bis heute. Daneben finden sich im Kundeportfolio von TeraVolt weitere namhafte Medienunternehmen wie die ProsiebenSat.1 Media SE, Red Bull Media House, ARD, Unitymedia oder Sky. Sie alle berät TeraVolt bei der Kreation von digitalen TV-Produkten – oder setzt sie am liebsten gleich selbst um. Denn wie Oliver Koch betont, „haben wir bis heute den Drang, Dinge selbst auszuprobieren.“ So machen Lizenzen oder wiederkehrende Erlöse aus eigens entwickelten Produkten mittlerweile 30 Prozent des Umsatzes aus.
Das Team um die vier Geschäftsführer Tobias Fröhlich, Tobias Künkel, Oliver Koch und Volker Harbs kreiert für Fernsehsender, Plattformen und sogar Fußball-Clubs Mediatheken und Enhancements. Ihre Mission: das lineare Fernsehen digital zu transformieren – wobei sich das Unternehmen selbst stetig im Wandel befindet. In den vergangenen 13 Jahren wurde aus einem provisorischen Büro im Wohnzimmer von Oliver Koch eine gestandene Agentur mit 40 festen und 30 freien Mitarbeitern. Sie entwarfen einen Baukasten für interaktive Fernsehwerbung, die Smartpages, die unter anderem bei ProSieben und RTL im Einsatz sind. Darüber hinaus bietet TeraVolt eine HbbTV-Suite als Lizenz an, also ein Framework für interaktives Fernsehen, der vielen Zuschauern als“Red Button“ bekannt sein dürfte. Wenn Sie also durch einen Klick auf den roten Knopf Ihrer TV-Fernbedienung schon einmal auf eine formatbegleitende Erweiterung („TV-Enhancement“) gestoßen sind, dann sind Sie ziemlich sicher auch mit TeraVolt in Berührung gekommen.
Einen Schwerpunkt legt die Hamburger Agentur bei ihrer Arbeit auf den Sport-Sektor, und insbesondere den Fußball. Das hat nach Ansicht von Tobias Fröhlich einen einfachen Hintergrund: „Es geht dem Zuschauer um Orientierung, Strukturierung und Interaktion. Beim Fußballschauen stellt er sich beispielsweise Fragen wie, Kann ich auf Knopfdruck sehen, was bisher passiert ist?‘,wie gut sind die Spieler eigentlich gerade?‘,oder: ‚Kann meine Mannschaft noch ein Tor schießen und gewinnen?‘. Diese Fragen zu beantworten und das entsprechende Produkt zu konzipieren, ist dann gar nicht so einfach, lässt sich jetzt aber leicht auf andere Sportarten übertragen.“
Für die Olympischen Spiele 2020 in Tokyo entwickelt TeraVolt eine eigene OTT-Anwendung, die voll auf Personalisierung setzt. Die Zuschauer bekommen dabei entsprechend ihrer Präferenzen und Lieblingssportlern Wettkämpfe vorgeschlagen sowie ergänzende Statistiken und Highlights geliefert. Ähnliches ist für die Fußball-Europameisterschaft 2020 in Planung.
Doch auch in anderen Sparten der TV-Landschaft sieht Tobias Fröhlich das Potenzial für Enhanced TV, OTT und Co.: „Bei Serien wie‚ Game of Thrones‘ frage ich mich das alles doch auch: Bei welcher Episode bin ich stehengeblieben? Aus welchem Stammbaum kam diese Person nochmal? Leben die jetzt eigentlich im Norden? Kann ich nochmal die wichtigsten Szenen aus der letzten Staffel sehen? Daran sieht man, dass unsere Expertise für jegliche Art von Content relevant ist.“
Oliver Koch ergänzt: „Einen Großteil unserer Zeit verbringen wir mit Beratung. Das ist oft mit Produkterstellung verbunden, was uns mehr kreative Freiräume gibt. Klassische Beratung haben wir natürlich auch im Angebot. Die meisten Medienhäuser wollen Geld verdienen und das geht am besten über Werbung und Bezahldienste.“ Ein solches Bezahlsystem hat TeraVolt erst kürzlich für Unitymedia direkt in die TV-Plattform eingebaut. „Die richtigen Beratungsprojekte sind dann zum Beispiel Markt- und Prozessanalysen, das Erstellen von Roadmaps oder gar die Führung einzelner Projekte beziehungsweise die Produkterstellung“, führt Koch weiter aus.
Und wenn es nach Tobias Fröhlich geht, ist das nur die Spitze des Eisbergs: „Mit 13 Jahren stehen wir sozusagen kurz vor der Pubertät und wollen die Branche nochmal so richtig unter Strom setzen.“
(Beitragsbild: TeraVolt)