„Erde an KI…?“, heißt es bei Simone Kaiser. Sie setzt auf die Potenziale von KI zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem Schutz der Artenvielfalt oder der Wasserversorgung. Mit dem Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) in Berlin hat sie für Microsofts AI-for-Earth-Initiative das Earth Lab organisiert. An zwei Tagen haben 50 KI-Experten und Vordenker für Umweltschutz und Nachhaltigkeit gemeinsam neue KI-Lösungen zum Schutz unseres Planeten erarbeitet. Vielversprechend ist zum Beispiel „Shazam4Nature“, ein ganzheitliches System zur Überwachung von Biodiversität in der Landwirtschaft. Für uns gehört Simone Kaiser zu den wichtigsten KI-Köpfen der DACH-Region. Wir haben sie daher zu ihrem Schaffen und der Zukunft der Technologie befragt.
Frau
Kaiser, woran arbeiten Sie gerade?
In unseren Forschungsprojekten am Fraunhofer Center for Responsible Research
and Innovation (CeRRI) in Berlin entwickeln wir neue Methoden und Prozesse, um
Innovationen und neue Technologien ausgehend von gesellschaftlichen
Herausforderungen und Bedürfnissen zu entwickeln. Im Kontext AI for Earth ist
das spannendste Projekt aktuell das EarthLab, das wir für Microsoft umgesetzt
haben. An zwei Tagen haben hier 50 KI-Expert/innen und Vordenker/innen für
Umweltschutz und Nachhaltigkeit gemeinsam neue KI-Lösungen zum Schutz der Erde
erarbeitet. An nur zwei Tagen sind fast 50 Ideenrohlinge entstanden, die neun
besten wurden am Ende gepitched. Drei dieser Ideen haben sich inzwischen
erfolgreich um einen „Microsoft AI for Earth“-Grant beworben und gehen in die
Umsetzung. Das ist ein toller Erfolg!
Ist
KI ein Fluch oder ein Segen für unsere Gesellschaft?
KI ist ein technologisches Werkzeug, über dessen Gestaltung und Einsatz
Menschen entscheiden und bestimmen. Ich glaube an die Potenziale von KI für
unsere Gesellschaft. Denken Sie beispielsweise an die Chancen für die
Früherkennung oder Therapie von Krankheiten oder an neue Möglichkeiten für den
Umweltschutz. Aber natürlich bergen KI-Technologien auch Risiken für Autonomie
und Privatsphäre und werden gesellschaftliche Veränderungen beispielsweise auf
dem Arbeitsmarkt bewirken. Es ist deshalb unsere Aufgabe in Forschung,
Unternehmen und Gesellschaft, diese neuen Lösungen verantwortlich und
gemeinwohlorientiert zu gestalten. Wichtig ist deshalb, Chancen und Risiken
neuer KI-Lösungen breit und offen zu diskutieren, die Gestaltungsmöglichkeiten
bei Entwicklung und Anwendung der neuen Lösungen zu betonen, gesellschaftliche
Regeln für die verantwortliche Anwendung von KI-Lösungen zu formulieren und
nicht zuletzt Software-Entwickler/innen mit den Werkzeugen und der Autorität
auszustatten, gesellschaftliche Werte und Grenzen in der Technologieentwicklung
zu berücksichtigen. Es ist nicht einfach, solche Dialoge chancenorientiert
umzusetzen. Unterschiedliche fachliche Hintergründe, Denkmuster und/oder
Hierarchien zwischen den beteiligten Akteuren erschweren häufig einen Austausch
auf Augenhöhe. In unseren Dialog-Projekten und -Prozessen nutzen wir daher
Methoden aus dem Design: Jenseits von (Fach-)Sprachen ermöglichen sie eine
frühzeitige und gestaltungsorientierte Auseinandersetzung und Verständigung
aller relevanten Akteure.
Wird es den Job, den Sie haben, in 20 Jahren noch geben?
KI wird auch Forschung verändern: Recherchen und Datenanalysen werden zu immer größeren Teilen von Algorithmen übernommen werden. Wir am CeRRI sind aber nicht nur Literatur- und Datenanalysten, sondern insbesondere auch Kreativarbeiter*innen, Netzwerker*innen und Kommunikator*innen. Je stärker unsere Arbeit technologisch unterstützt wird, desto wichtiger werden diese Kompetenzen. Das heißt, ja: Der Beruf des/der CERRI-Forscher*in wird es noch geben, auch wenn er nicht mehr derselbe sein wird wie heute.
Das Interview führte Andrea Bittelmeyer und ist Teil der aktuellen Ausgabe von Clutch. Das Heft können Sie hier bestellen. Sie zahlen nur so viel, wie es Ihnen wert ist.
(Beitragsbild: Originalfoto: Philippe Rossier, modifiziert von Deepart.io im Stile von Vincent van Gogh)