Laterpay- und Contribute.to-Gründer Cosmin Ene: Von Sushi, Ute Lemper und der Corona-Krise als Katalysator

Cosmin Ene, Gründer von Laterpay und Contribute.to

Von Deluxe Music, über Laterpay bis Contribute.to: Cosmin Ene gehört zu den wichtigsten europäischen Gründern. Gerade weil für ihn vor allem eine Person im Mittelpunkt steht: Der User.

Wahrscheinlich ist es sogar eine typische Internet-Geschichte, die so nur das Web schreibt: Fragt man den Contribute.to– und Laterpay-Gründer Cosmin Ene nach der Entstehung des Payment-Dienstleisters und einer besonders prägenden Person für den Erfolg seiner Unternehmen, bekommt man zwei – vermeintlich – verwirrende Antworten: Sushi und Ute Lemper.

Aber der Reihe nach. Bereits in den frühen Nullerjahren baute der 45-Jährige erfolgreich Deluxe Television und Deluxe Music, den legitimen Nachfolger von MTV, und VIVA auf. Doch während des Besuchs eines Sushi-Restaurants entstand eine Idee, die tatsächlich das Zeug dazu hat, das wohl dringendste Problem zu lösen, unter dem die meisten Medienhäuser derzeit leiden: die unzureichende Monetarisierung ihrer Inhalte.

Was Sushi und das Laterpay-Geschäftsmodell gemeinsam haben                             

Während Ene damals gemeinsam mit einem Investor zusah, wie die Platten mit dem rohen Fisch langsam über das Laufband glitten, erklärte er geistesgegenwärtig seinem Tischnachbarn: „Eigentlich müsste es mit Musik-Videos und Artikeln doch ganz genauso funktionieren. Hier im Sushi-Restaurant suche ich mir nur die Tellerchen mit Sushi aus, die lecker aussehen. Die leeren Tellerchen werden gestapelt und am Ende bezahle ich nur das, was ich wirklich auch gegessen habe. Im Internet hingegen wirst Du vor dem Konsum zur Registrierung und zur Kasse gebeten – das ist so ,als müsstest Du 50 Euro an der Tür des Restaurants bezahlen, bevor Du dich hinsetzen kannst.“ Damit war Laterpay geboren.

Der Wahl-Münchner zog sich kurz darauf für eine Woche in die Berge zurück, fasste seine Überlegungen zusammen und reichte das entsprechende Patent ein. „Als ich mit meinem Anwalt darüber sprach, machte er mir wenig Hoffnung. Er meinte, dass wir kein Patent auf Software anmelden könnten. ‚Können Sie nicht einfach einen Stuhl erfinden?`, fragte er mich.“

Das konnte Ene nicht. Und so zog sich der gesamte Anmeldeprozess gut fünf Jahre hin. Aber das Durchhaltevermögen zahlte sich aus – das Patent zu Laterpay wurde erst europaweit und dann international eingetragen. Wenn der 45-Jährige von einer Idee überzeugt ist, dann gibt er so schnell nicht auf. Wenn es anders wäre, gäbe es den Payment-Dienstleister schon lange nicht mehr. Denn die ersten Jahre in Deutschland waren nicht gerade ein Triumphzug.

Dabei ist das Produkt doch so einfach. Ene entwickelte ein Modell, das es einem ermöglicht, einzelne Artikel zu kaufen. Da sich die Abrechnung jedes gekauften Beitrags nicht rechnet, schreiben die Kunden virtuell so lange an, bis sie einen Gesamtbetrag von fünf Euro erreicht haben. Dann übernimmt Laterpay gesammelt das Billing. Höchst einfach und effektiv.

Allerdings waren in den ersten Jahren die Reaktionen der Verlagsmanager nahezu immer die gleichen: Begeisterung im ersten Augenblick, weil es geradezu natürlich ist, nur das zu nehmen, was man will und weil wir alle weder Lust noch Geld haben, um unzählige Abos abzuschließen. Im zweiten Augenblick schienen sie stets Angst vor der eigenen Chuzpe zu haben. Ihr Blick sagte: Wenn ich Laterpay nutze, kann das meiner Karriere schaden? Tue nichts, was für Dich Ecken hat. Schnell verließ sie immer wieder der Mut. „Sie haben alle angst davor, dass ihre Abomodelle, die sie auch nicht ausreichend finanzieren, Dellen bekommen“, meint Ene. 

So richtig warm wurden die hiesigen Verlagsmanager also nicht mit der Lösung. „Stellt man einem deutschen Manager eine neue Idee vor, beginnt die Antwort garantiert immer mit denselben beiden Phrasen“, sagt Ene: „Aber das Problem ist doch…“ oder „Wo gibt es dieses System schon? In den USA?“                                             

Der Laterpay-Chef ist davon überzeugt, dass es den einheimischen Entscheidern an Selbstvertrauen fehlt, Chancen zu erkennen und echte Innovationen zuzulassen, anstatt immer nur die Probleme zu sehen. Zudem halten sie ein Web-Produkt nur dann für gut, wenn es aus den USA, sprich aus dem Silicon Valley kommt.               

Der Weg nach Übersee

Seine logische Schlussfolgerung: Der Gründer zog mit der Firma um. Er behielt ein Büro in München und ging zudem über den großen Teich in die USA. Das ist der Punkt in der Firmengeschichte, an dem Ute Lemper ins Spiel kommt. Denn auch die Unterhaltungskünstlerin, Tänzerin und Sängerin wurde in Deutschland so lange nicht wahrgenommen, bis sie Erfolge am Broadway in New York feierte. „Dieser Aspekt in der Biografie von Ute Lemper faszinierte mich bereits Ende der 80er-Jahre“, sagt Ene gegenüber CLUTCH.                 

Der Sprung in die Staaten zahlte sich aus. Obwohl Laterpay eigentlich eine echte Idee „Made in Germany“ ist (finanziert aus der Schweiz), nahm sie erst so richtig Fahrt auf, nachdem die Firma in den USA bekannte Medienhäuser wie Hearst mit seinem San Francisco Chronicle und Salon.com als Kunden gewinnen konnte. Im Frühjahr konnte er für das Start-up sogar eine frische Finanzierungsrunde von über neun Millionen Euro abschließen. 

Corona als Katalysator für neue Geschäftsmodelle

Für das Web gilt aber auch: Eine Idee, die heute funktioniert, überlebt sich schnell und allein deshalb ist der Gründer längst schon wieder einen Schritt weiter. So befindet sich Laterpay gerade in einem neuen Transformationsprozess, während Ene zeitgleich sein neuestes Projekt testet: Contribute.to, eine Plattform, über die jeder die kreative Community, also einzelne Künstler wie Musiker, Fotografen und Maler unterstützen kann. Das Besondere: Anstatt eine weitere Plattform aufzubauen, setzt Ene darauf, dass die Künstler ihren Followern und Fans auf bereits bestehenden Plattformen wie Twitter, Facebook, Instagram die Möglichkeit geben, ihnen über einen einfachen Link oder einen Contributions-Button freiwillige Zahlungen zu machen. Man meldet sich an, holt sich seinen Contribute.to-Link (z.B. Contribute.to/lizwest) und kann diesen Link plattformübergreifend teilen. Über sogenannte Contributions-Cards können die Unterstützer einem Künstler folgen, während dieser seine Community immer und von überall aus auf dem Laufenden hält. „Reward creativity and turn appreciation into support“, erklärt Ene seine Grundidee. Zu Deutsch: Belohne Kreativität und verwandele Wertschätzung in Unterstützung.

Künstler direkt zu unterstützen – sei es noch mit so kleinen Beträgen – ist nach Meinung des 45-Jährigen kein Privileg, sondern geradezu eine Pflicht. “Kunst ist während einer schweren Zeit wie einer Pandemie ein noch essentiellerer Bestandteil unseres Lebens als in normalen Zeiten – denn sie gibt den Menschen Halt, Hoffnung und es massiert gänzlich andere Synapsen als beispielsweise Fernsehen und Radio”, erklärt Ene. Contribute.to soll sich möglichst schnell als eine nachhaltige Einnahmequelle für die kreative Community etablieren.“ Nach einem Test im Dezember wird Contribute.to voraussichtlich im Februar weiter ausgerollt. “Verlage können den Contributions-Button genauso nutzen – ich bin sicher, dass auch große Tech-Plattformen dieses Jahr auf Contributions anspringen werden, was sich sehr positiv auf alle Marktteilnehmer auswirken wird.” 

Covid-19 als Katalysator für neue Geschäftsmodelle

Ene sieht Covid-19 als Katalysator für neue Geschäftsmodelle, die sich vor allem nach der Frage ausrichten, wie Menschen künftig konsumieren wollen. Zudem wirkt die Pandemie wie ein Beschleuniger für die Digitalisierung: “Ich würde behaupten, dass das Internet für eine große Masse der Menschen gerade erst angekommen ist. Gezwungen durch Remote Work und Home Schooling weiß jeder, der erstmalig Videokonferenzen genutzt oder online Lebensmittel bestellt hat, genau was ich meine.” 

Gleichzeitig ist das gesamte Projekt ein typisches Produkt der ersten Corona-Monate, denn entstanden ist es völlig remote. „Das Team sitzt in Deutschland, Amerika, Schweiz und Polen und hat sich noch nie persönlich getroffen“.                            

Da haben wir wieder das Leitmotiv des 45-Jährigen: Stillstand ist Rückschritt, er will immer nach vorne. Alles muss sich ständig weiterentwickeln, gnadenlos ausgerichtet an den User. So wie beim Sushi- Laufband, auf der nach jeder Platte mit einer Köstlichkeit immer wieder die nächste Platte mit einer neuen Köstlichkeit folgt.

Hinweis in eigener Sache: Laterpay ist Kunde der PR-Agentur Frau Wenk, deren Geschäftsführerin Andrea Buzzi auch Herausgeberin von Clutch ist.

Clutch-Redaktion