Digital Health: Wie inveox Pathologielabore automatisiert und digitalisiert

Maria und Dominik Sievert, Gründer von inveox (Beitragsbild: inveox)

Vor einigen Jahren erhielt Linda Gromwold (Name geändert, d. Red.) eine schockierende Nachricht: Sie litt an einer aggressiven Form von Brustkrebs. Fest entschlossen, ihr Leben zu retten, ließ sich Linda in einer Operation beide Brüste entfernen. Nach dem Eingriff folgte ein weiterer Schock: Linda hatte nie Brustkrebs gehabt, sondern eine falsche Diagnose erhalten.

Mit diesem Erlebnis ist Linda kein Einzelfall: Immer wieder führen Verwechslungen, Verunreinigungen oder der Verlust von Laborproben zu teils folgenschweren Fehldiagnosen.

Diesem Problem hat die inveox GmbH den Kampf angesagt. „Allein in Deutschland werden jährlich Hunderte von Patienten aufgrund falscher Laborbefunde fehldiagnostiziert oder falsch behandelt. Zwar arbeiten Pathologen gewissenhaft und mit Hochdruck daran, jegliche Unregelmäßigkeiten auszuschließen. Leider gelingt das aufgrund der sehr hohen Probenzahl pro Tag nicht immer“, sagt Maria Sievert, Mitgründerin und Geschäftsführerin bei inveox. Ihr Lösungsansatz: „Wir automatisieren die Datenerfassung, sowie das fehleranfällige Umpacken der Proben vom Transportgefäß auf die sogenannte Biopsiekassette, und gewährleisten mittels Lasertechnologie eine eindeutige Beschriftung.“

Mit diesem System unterstützt inveox seine Kunden dabei, fachliche Präzision mit wirtschaftlicher Rentabilität zu vereinen. Das Einsparpotenzial für ein durchschnittliches Labor liegt pro Jahr bei rund 250.000 Euro. Das Gesundheitssystem kann sogar bis zu 50 Millionen Euro einsparen, weil unnötige Kosten, unter anderem für Fehlbehandlungen, vermieden werden.

Eine supranationale Idee

Die Idee zu inveox ist auf zwei Kontinenten entstanden. 2015 absolvierte Sievert im Rahmen ihres Wirtschaftsingenieursstudiums ein Auslandssemester in den Vereinigten Staaten, wo sie eines Nachmittags mit einem Pathologen ins Gespräch kam. Er erzählte ihr von dem hohen Arbeitsaufwand in Pathologielaboren, wie der mehrfachen händischen Neuverpackung und Beschriftung von Proben. Das Problem dabei: Der Prozess ist zeitaufwendig, fehleranfällig und kann zu besagten Verwechslungen oder Verunreinigungen führen. „Der Gedanke, dass der Prozess beim Probeneingang ein immenses Optimierungspotential in sich birgt, ließ mich nicht mehr los“, erinnert sich Maria Sievert.

Fast zeitgleich durchlief ihr späterer Mitgründer und heutiger Ehemann Dominik Sievert während seines Studiums der Molekularen Biotechnologie, ebenfalls an der TU München, ein Praxisseminar. Auch er berichtet von einem Schlüsselerlebnis: „Bei einer Operation, der ich beiwohnte, wurde beinahe eine Prostatabiopsie vertauscht. Die Folge wäre eine falsch-positive oder falsch-negative Diagnose gewesen. Ich begann, nach Lösungsansätzen für dieses Problem zu forschen.“

Ohne voneinander zu wissen, stellten sich Dominik und Maria derselben Herausforderung. Er aus der Perspektive eines Biotechnikers, sie mit dem Fachwissen einer Ingenieurin. Durch Gespräche mit ihren Studienberatern erfuhren sie von der Existenz des jeweils anderen, schrieben sich zunächst Nachrichten und lernten sich schließlich persönlich kennen. Beide hatten den Wunsch, etwas zu verändern und ein eigenes Unternehmen zu gründen, den sie Anfang 2017 gemeinsam dann auch umsetzten. Die inveox GmbH war geboren.

Expansion in die USA geplant

Heute arbeiten das junge Unternehmen aus Garching bei München und seine fast 100 Mitarbeiter mit Privatlaboren für Pathologie, Laboren von Kliniken, Laborketten sowie Forschungsinstituten zusammen. Ihre Mission: Mithilfe von digitalisierter und vollautomatisierter Histopathologie schnelle und zuverlässige Krebsdiagnosen ermöglichen. Dazu bietet inveox schwerpunktmäßig drei unterschiedliche Produktkomponenten an. Erstens: Eine webbasierte Daten- und Kommunikationsplattform, bei der alle diagnoserelevanten Daten in einer sicheren IT-Datenbank gespeichert werden. Arzt und Labor profitieren mit dieser Software von einer schnelleren, sicheren, strukturierten Kommunikation und einer Datenübertragung in Echtzeit. Zweitens: Ein intelligenter Probenbehälter mit integriertem Filter, in dem die Probe über den gesamten Prozess hinweg verbleibt und der mit einer eindeutigen ID versehen wird, um Verunreinigungen und Verwechslungen auszuschließen. Und drittens: Einen Automaten, der mehrere Dutzend Probenbehälter gleichzeitig aufnehmen und automatisch verarbeiten kann.

„Während unser System die perfekte ‚one fits all‘-Lösung für den größten sogenannten Painpoint in Pathologielaboren weltweit ist, können wir mit unserem komponentenbasierten Produkt und einem modular aufgebauten Vertragswerk, maßgeschneiderte, flexible und jederzeit skalierbare Leistungspakete anbieten“, erläutert Dominik Sievert. Dieses Angebot findet internationalen Anklang. Nach dem erfolgreichen Markteintritt in der DACH-Region folgte 2018 ein Standort in Krakau. Aktuell arbeiten die Münchener an weiteren Expansionen in ganz Europa sowie der Ausweitung auf den US-Markt.   

Erst am Anfang der Digitalisierungswelle

Inveox hat in den vergangenen drei Jahren zweifellos die Digitalisierung der Gesundheitsbranche mit vorangetrieben. Doch für die Zukunft sieht Maria Sievert noch eine Menge Potenzial: „Im Healthcare-Sektor stehen wir noch am Anfang der Digitalisierungswelle. Wir können die Branche so formen, dass sie nicht nur den absehbaren Anforderungen entspricht, sondern Raum für neue Meilensteine eröffnet. Das Bestreben ist es, ein Setting zu schaffen, das nachhaltig und ausbaubar ist, und sich an einem zentralen Kriterium misst: Was ist das Beste für den Patienten?“

Ihr Mann Dominik ergänzt im Hinblick auf das Trendthema künstliche Intelligenz: „Eine Maschine kann den Menschen nie ersetzen, aber unterstützen. Bei inveox sehen wir es als unsere Aufgabe, Künstliche Intelligenz mit Neugierde, aber zugleich mit hohem Verantwortungsbewusstsein, zu nutzen. Die gemeinschaftliche Aufgabe von Medizin, Technologie, Patienten und Politik wird in den nächsten Jahren sein, einen gemeinschaftlichen und offenen Dialog zu pflegen, damit die KI uns dient und nicht umgekehrt.“

Und damit Schicksale wie jenes von Linda Gromwold bald vollends der Vergangenheit angehören.

(Beitragsbild: Das Gründerehepaar von inveox, Maria und Dominik Sievert. Bildcredit: inveox)

Felix Buske

Clutch-Redaktion