„Die Zukunft liegt in einem besseren Verständnis digitaler Mediennutzung“

Uli Kramer/Foto: Pilot

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Aus den Enthüllungen rund um die Datenanalysefirma Cambridge Analytica und Facebook hat sich ein handfester Skandal entwickelt. Das lehrt uns, dass die digitale Werbebranche offensichtlich noch immer vor gewaltigen Problemen steht, auf die kaum jemand eine Antwort zu haben scheint. Clutch hatte bereits im Sommer 2017 Experten für digitale Werbung gefragt, was zu tun ist, damit die Interessen der Nutzer, Unternehmer und Werbungtreibenden wieder in Einklang kommen. Im zweiten Teil unserer Kommentar-Reihe kommt Ulrich Kramer, Gründungsgesellschafter von pilot, zu Wort. Als Pionier investiert er bereits seit 2009 in Programmatic Advertising und hat zudem ein Expertenteam aufgebaut sowie zahlreiche programmatischen Kampagnen umgesetzt:

„Ja, es gibt Probleme in der digitalen Werbewelt. Die Targeting-Genauigkeit, Sichtbarkeit oder die Nutzer-Akzeptanz sind nicht immer so, wie sie sein sollten und in Einzelfällen weit davon entfernt, Werbungtreibende und Agenturen zufriedenzustellen. Keine Frage – diese Probleme müssen gelöst werden. Daraus jedoch einen Abgesang auf die digitale Werbung zu machen, wäre völlig falsch. Denn: Die uralte Werberegel „Advertising follows eyeballs“ gilt auch im digitalen Zeitalter weiter. Die Werbung orientierte sich immer schon in Richtung der Medien, denen wiederum die Aufmerksamkeit der Menschen gehört. Warum? Weil Marken dort die Reichweiten finden, die sie für ihren Erfolg brauchen. Und je weiter sich die Mediennutzung in digitale Kanäle verschiebt, desto relevanter werden diese auch für die Werbungtreibenden. Nicht in digitale Werbung zu investieren ist daher nur dann eine Option, wenn man den Kontakt zu seinen Kunden ganz sicher verlieren möchte. 

Entscheidend für die Zukunft der digitalen Werbung ist also nicht das „ob“, sondern das „wie“. Das heißt: Wie muss digitale Werbung gestaltet und platziert sein, um vom Nutzer akzeptiert zu werden, eine Wirkung zu erzielen und Marken erfolgreich zu machen? Hier liegt meiner Ansicht nach die größte Baustelle. Schauen Sie mal auf Spiegel.de oder Stern.de vorbei: Auch über 20 Jahre nach dem Start der digitalen Werbung in Deutschland steht da über den Werbeplatzierungen noch das Wörtchen „Anzeige“ – als handle es sich hier um Printwerbung, die gelesen wird, bevor man die Seite elektronisch umblättert. Fakt ist, die Mehrzahl der digitalen Werbeformen beruht auch heute noch auf einer 1:1-Adaption klassischer Formate, die für andere Medien entwickelt wurden – sei es die Internet-„Anzeige“ oder der Unterbrecher-Werbespot. Dass die Mediennutzung in der digitalen Welt und insbesondere auf mobilen Endgeräten mittlerweile völlig anders aussieht, berücksichtigen viele Werbeplatzierungen bis heute nicht. Und, ein fehlendes Verständnis für die digitale Mediennutzung ist auch häufig in der Kreation von Werbemitteln zu beobachten. Es reicht eben einfach nicht, einen 30-Sekunden-TV-Spot auf 15 Sekunden zu kürzen, um ihn fit für das Internet zu machen. Dabei gibt es sie, die gute digitale Werbung, die treffgenau und relevant ist, weil sie den Nutzungskontext in den Mittelpunkt stellt – und diese Werbung hat ihre Anbieter, allen voran Google und Facebook, milliardenschwer gemacht. Auch wenn ihre Rolle aus vielen Gründen kritisch zu sehen ist, so haben sie dennoch bewiesen, dass es medien- und nutzergerechte digitale Werbung gibt. Die Zukunft liegt daher in einem besseren Verständnis digitaler Mediennutzung und in Kampagnen, die auf diesem Verständnis aufbauen. Damit sie von den Nutzern akzeptiert oder sogar erwünscht und geliebt werden. Man muss ja auch mal träumen dürfen.“

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Im ersten Teil unserer Kommentar-Reihe erklärte Stefan Mohr, Geschäftsführer, Jung von Matt/next, unter anderem weshalb er nicht mehr von Werbung, sondern eher von digitaler Marken-Kommunikation sprechen möchte. 

Dieser Gastbeitrag ist in der Clutch-Printausgabe (ET Herbst 2017) erschienen.

(Beitragsbild: pilot)

Clutch-Redaktion