Bringen Elon Musk und Jeff Bezos die Menschheit ins All? Erreichen Bill Gates und Mark Zuckerberg mit Medizin- und Bildungsprogrammen endlich die Gleichheit aller Menschen? Diese Visionen verfolgen die vier Milliardäre. Für die Zukunft der Menschheit opfern sie Zeit und Vermögen. Aber was motiviert die Wohltäter? Wessen Vision ist realistisch? Und sind die Pläne visionär oder schlicht größenwahnsinnig? Exklusiv für Clutch, dem Gesellschaftsmagazin für die digitale Welt, gibt der Wirtschaftsprofiler Mark T. Hofmann einen nie dagewesenen Einblick in Persönlichkeit und Motivation der vier Unternehmer. Diese Geschichte ist Teil der zweiten Printausgabe von Clutch.
Herr Hofmann, Sie sind Experte darin, sich in Unternehmer hineinzudenken. Was bewegt die vier Tech-Milliardäre, sich dem Heilen von Krankheiten und der Weltraumforschung zu widmen?
Hofmann: „Zunächst einmal möchte ich betonen: Jedes Persönlichkeitsprofil ist nur so gut wie die Daten, die man hineingibt. Ich kenne Elon Musk, Bill Gates, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg nicht persönlich. Über Interviews, Anekdoten und Dokumentationen habe ich mir ein Bild von ihnen gemacht. Meine Einschätzung ist deshalb nicht mehr als meine eigene Meinung. Was sie motiviert, lässt sich gut an der Maslow’schen Bedürfnispyramide erklären. Demnach haben Menschen verschiedene hierarchisch aufeinander aufbauende Bedürfnisse. Erst wenn Grundbedürfnisse wie Sicherheit und Essen gedeckt sind, streben Menschen nach Höherem. Bei diesen Herren sind nahezu alle Bedürfnisse erfüllt – Anerkennung, Erfolg, sogar Reichtum. Ein Geldmotiv können wir also ausschließen. Dann hätte jeder von ihnen nach der ersten Gründung aufgehört und den Rest seines Lebens auf Instagram Luxusbilder gepostet.“
Wollen die Vier sich selbst ein Denkmal setzen? Ist es Altruismus oder Egoismus?
Hofmann: „Zuckerberg, Bezos und Co. streben nicht nur nach Selbstverewigung. In meiner Vorbereitung hatte ich erwartet, dass ihre Werte für Narzissmus oder Psychopathie relativ hoch sein könnten. Der Berufsbereich mit den meisten Psychopathen ist der der Manager. Es gibt eine Möglichkeit, sich von dem Narzissmus einer Person einen Eindruck zu verschaffen: Social Media. Dort offenbart sich, was Menschen wirklich wichtig ist. Diese vier neigen allesamt nicht zur Selbstdarstellung. Sie posten nicht sich, sie posten ihre Vision. Sie sind viel weniger narzisstisch, als ich dachte. Elon Musk noch am ehesten, aber selbst er nicht allzu ausgeprägt. Ich glaube, dass diese Herren tatsächlich nach einem höheren Ziel streben. In der Psychologie nennt man es das Sinnmotiv. Das umfasst alles, was über das eigene, direkte Wohlergehen hinausgeht. Religion, Kultur, Unsterblichkeit oder die Motivation, zu helfen. Dennoch lässt sich ein gewisser Grad an Rücksichtslosigkeit beobachten. Kleinere Dinge wie Datenschutz, Kündigungsschutz, faire Arbeitsbedingungen rücken dabei manchmal in den Hintergrund. Altruismus und Egoismus lassen sich daher schwer abgrenzen: Wenn ich ein gutes Ziel habe, auf dem Weg aber mein eigenes Ding durchziehe, bin ich dann Egoist oder Altruist?“
Was ist der größte gemeinsame Nenner von Jeff Bezos, Mark Zuckerberg, Elon Musk und Bill Gates?
Hofmann: „Umgangssprachlich heißt es, dass Genie und Wahnsinn nah beieinander liegen. Die größte Gemeinsamkeit aller ist, dass sie Genies sind. Ein klarer Unterschied liegt in ihrer Radikalität. Wir sprechen hier nicht von krankhaftem Wahnsinn, eher von Spleens und normabweichendem Verhalten.“
Wer sticht da für Sie am meisten heraus?
Hofmann: „Elon Musk. Gar nicht mal, wenn wir über Erfolg oder Zahlen sprechen, sondern in seiner Vision. Wie und was er denkt, was er vorhat. Musk ist uns zwei Milliarden Jahre voraus. Er hat die Erde schon lange abgeschrieben. Zwar verlieren wir sie erst in zwei Milliarden Jahren, aber er hat schon einmal gedanklich vorgesorgt. Er ist definitiv das radikalste Genie. Aber auch das Irritierendste. Als sein Sohn starb, soll er zu seiner Frau gesagt haben, er halte ihre Trauer für emotional-manipulativ. Und als ein Schulfreund Angst im Dunkeln hatte, sagte Musk: ‚Dunkelheit ist nur die Abwesenheit von Photonen.‘ Er hat keine Angst, spürt aber vermutlich auch keine tiefgreifende Liebe. Er propagiert die 120-Stunden-Woche und erwartet das auch von Mitarbeitern. Geschäftlich würde ich deshalb sofort mit ihm kooperieren. Narzisstische Menschen sind zielstrebig und wirtschaftlich durchaus bereichernd. Privat nicht.“
Wer bringt denn am ehesten das Potenzial mit, seine Vision in die Tat umzusetzen?
Hofmann: „Es gibt diesen berühmten Versuch. Man gibt Kindern einen Marshmallow und sagt ihnen: ‚Ich gehe 15 Minuten weg. Wenn du den Marshmallow nicht isst, bis ich wiederkomme, bekommst du von mir einen zweiten.‘ Eine Langzeitstudie erwies, dass diejenigen, die die Süßigkeit schon als Kind nicht aßen, später erfolgreich waren. Gates, Musk, Zuckerberg und Bezos hätten den Marshmallow nicht gegessen. Wir hätten die Menge sogar noch eine ganze Weile erhöhen können, bevor einer von ihnen genossen hätte. Diese vier sind Investoren, sie sind bereit, jetzt zurückzustecken, um später noch größer zu werden. Als erster wäre Gates schwach geworden. Er tut Gutes, hat sich aber auch aus dem aktuellen Geschäft zurückgezogen. Nach ihm käme Bezos, er ist innovationsgetrieben, aber auch gesetzter. Er würde ein wenig leben. Dann Zuckerberg. Und Musk hätte bis heute keinen Marshmallow gegessen und würde das auch nie tun. Er investiert immer weiter. Deshalb werden seine Unternehmen auch sehr lange keine schwarzen Zahlen schreiben, und wenn ein Unternehmen läuft, wird er das nächste gründen. Der Mars ist nicht sein Limit. Er wird sich nie darauf beschränken.“
Bill Gates geht große soziale Probleme an: Gleichheit für alle. Emissionsfreie Energie. Zugleich kooperiert er mit Unternehmen wie Monsanto. Was steckt dahinter?
Hofmann: „Bill Gates ist Realist und Pragmatiker, ein Zahlen-Daten-Fakten-Mensch. Wenn man so pragmatisch seine Ziele verfolgt, arbeitet man mitunter auch mit kritischen Partnern. Radikale Idealisten wie Greenpeace oder PETA bewirken teilweise weniger, weil sie die Philosophie ‚Alles oder nichts‘ fahren. Gates kann sich der Probleme bei Monsanto und Co. bewusst sein. Er verhandelt aber zum Wohle aller und nutzt vorhandene Strukturen für den guten Zweck.“
Mark Zuckerberg hat 2015 zur Geburt seiner Tochter 99 Prozent seines Einkommens für wohltätige Zwecke versprochen. Hat ihn das Vaterwerden verändert?
Hofmann: „Der Zeitpunkt war schon auffällig: Einerseits wurde seine Tochter Max geboren, gleichzeitig war die Berichterstattung über Facebook und ihn seit dem Film ‚The Social Network‘ dramatisch schlecht. Ich glaube aber nicht, dass seine Spende ein PR-Stunt war. Eher hat die Kritik ihn bewegt, über seine Rolle in der Welt nachzudenken. Nichtsdestotrotz kann die Geburt von Kindern maßgeblich die Weltsicht beeinflussen. Zuckerberg war aber auch nie wirklich schlecht. Er ist kein Soziopath, wie er im Film porträtiert wurde.“
Jeff Bezos und Elon Musk veranstalten gerade einen Wettkampf ins All und inszenieren ihn auch so …
Hofmann: „Ich denke, dass beide sich für den Weltraum begeistern, weil es eines der Grundbedürfnisse des Menschen ist. Kultur, Religion, Weltall, das ist die Frage nach mehr. Aber: Musk ist deutlich radikaler als Bezos. Für Bezos ist die Erde Plan A. Seine Vision ist, die Schwerindustrie auszulagern und den Planeten zu erhalten. Er hält die Erde für den besten Planeten. Musk ist gedanklich schon auf einem anderen Planeten.“
Die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page wollen den menschlichen Alterungsprozess stoppen. Ewiges Leben – haben die einen Götterkomplex?
Hofmann: „Tiefenpsychologisch unterscheidet sich deren Vision nicht von der von Musk oder Gates. Der Weg ist nur ein anderer. Der Wunsch nach Unsterblichkeit ist in uns allen grundlegend verankert. Religionen aus allen Teilen der Erde haben unabhängig voneinander das Leitmotiv der menschlichen Unendlichkeit entwickelt. Nach den Sternen zu greifen, die Zukunft der Menschheit und Unsterblichkeit haben in dem Sinne viel mit Schönheits-OPs gemein. Sie alle befriedigen tiefenpsychologisch dasselbe Bedürfnis. Den Wunsch, den Tod zu überwinden, ob es nun der eigene oder der der Menschheit ist.“
Sind die vier Männer also größenwahnsinnig oder visionär?
Hofmann: „Visionär, ohne Frage.“
Das Interview führte Kristin Steppeling.
Über Mark T. Hofmann:
Mark T. Hofmann ist Wirtschaftsprofiler. Sein Fachgebiet beginnt, wo sich Wirtschaft, Psychologie und Kriminalität überschneiden. Er hat die Wissenschaft der Beeinflussung und Wirtschaftspsychologie studiert und in den USA Profiling-Trainings unter anderem in Wirtschaftskriminalität und Verhörtaktiken absolviert. Heute arbeitet er als Berater und Keynote-Speaker.
Diese Geschichte stammt aus der zweiten Printausgabe von Clutch und wurde erstmals am 12. September 2017 online veröffentlicht.
(Beitragsbild: Sebastian Konopik)