E-Rezept, Telemedizin und digitale Gesundheitsplattform – das bewegt den E-Health-Markt

In der Videosprechstunde treffen sich Arzt und Patient auf digitaler Ebene

Die Gesundheitsbranche wird immer digitaler: Eine zentrales Gesundheitsportal steht in den Startlöchern, ebenso das E-Rezept. Gleichzeitig verbreitet sich die Telemedizin zunehmend, während der Online-Apotheken-Markt wächst. Wir fassen die aktuellen Entwicklungen einmal zusammen.

Plattform vereint Arzt, Apotheke und Krankenkasse

Deutschlands größter Pharmahändler Phoenix entwickelt derzeit mit den Gesellschaftern der Apotheker-Initiative pro AvO eine digitale Plattform für Gesundheitsleistungen. Diese soll es Nutzern ermöglichen, Informationen, Medikamente und Dienstleistungen an einem Ort zu bekommen. Die Idee dahinter: Die Verbraucher koordinieren über das Portal ihren kompletten gesundheitlichen Versorgungsbedarf und greifen zusätzlich auf ihre elektronische Patientenakte zu. Die Plattform, deren Start noch für dieses Jahr geplant ist, soll in der Praxis künftig wie folgt funktionieren: Ein Patient möchte sich telemedizinisch beraten lassen. Er findet über das Portal einen Arzt, zu dessen Sprechstunde er über einen Telemedizin-Anbieter direkt weitergeleitet wird. Im Anschluss an das Gespräch geht es dann zurück auf die Plattform, wo er sein E-Rezept für die verschriebenen Medikamente erhält, das er in einer Apotheke einlösen kann. Entwickler und Betreiber der neuen Gesundheitsplattform ist eine Gesellschaft, die zu dem Zweck als Joint Venture von den Betreibern der Initiative pro AvO (Noventi, Wort & Bild Verlag, Sanacorp, GEHE und BD Rowa) und Phoenix gegründet wird. Unter welchem Namen die Plattform künftig laufen soll ist bislang noch nicht bekannt.

„Ein partnerschaftlicher Digitalauftritt ist der entscheidende Schritt in Richtung Zukunft für die Heilberufler Deutschlands im Allgemeinen und für die inhabergeführten Vor-Ort-Apotheken im Besonderen. Gegen die Marktplätze globaler Großkonzerne können wir nur gemeinsam bestehen. Die Plattform ist darüber hinaus mehr als ein Marktplatz: Sie wird vertrauenswürdiger Ort für alle Fragen rund um die Gesundheit sein“, sagt Dr. Hermann Sommer, Vorstandsvorsitzender Noventi Health.

Für viele Anbieter ist es nur noch eine Frage der Zeit bis E-Commerce-Giganten wie Amazon auch hierzulande breit in den Gesundheitsmarkt einsteigen. Noch ist der US-Riese im deutschen Medikamentenmarkt nicht selbst als Versandhändler aktiv, gibt aber lokalen Apothekern auf seiner Plattform die Möglichkeit zum Handeln. Als Kapitalgesellschaft darf das Unternehmen keine Medikamente verkaufen, denn das ist nur approbierten Apothekern erlaubt. Diese Hürde ließe sich jedoch für den Konzern leicht überwinden, beispielsweise durch den Kauf einer ausländischen Versandapotheke oder den Aufbau einer eigenen. Die geplante deutsche Plattform soll den globalen Großkonzernen die Stirn bieten, solange diese auch in diesem Bereich keine marktbeherrschende Stellung aufbauen konnten.

E-Rezept ersetzt Zettelwirtschaft

Auch das E-Rezept, das in Deutschland voraussichtlich zum 1. Januar 2022 startet, soll den Beteiligten das Leben vereinfachen und die Zettelwirtschaft ablösen. Rezepte vom Arzt werden dann nicht mehr auf Papier gedruckt, sondern in elektronischer Form ausgestellt. Das E-Rezept selbst ist ein Datensatz auf einem zentralen Server. Diese Rezeptdaten kann der Patient per Code oder Login herunterladen. Die Apotheke liest schließlich die Rezeptdaten aus und händigt das entsprechende Medikament aus. Der Patient muss nicht zwingend selbst in die Apotheke kommen. Damit wird der für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten erforderlichen Informationsaustausch zwischen Arzt, Patient, Apotheke und Krankenkasse erheblich beschleunigt. Aktuell hat das Bundesgesundheitsministerium zum E-Rezept eine Dokumentation veröffentlicht, die die technischen Vorgaben für die Umsetzung definiert, damit Hersteller und Anbieter die entsprechenden Produkte entwickeln können.

Telemedizin vereinfacht den Arztbesuch

Auch die Telemedizin erleichtert den Patienten den Zugang zu medizinischen Leistungen. Denn auch hier wandert die Dienstleistung, in diesem Fall der Arztbesuch, ins Digitale. Das E-Health-Unternehmen Doctolib bietet Patienten beispielsweise die Möglichkeit, einen digitalen Arzttermin über ihre Plattform zu buchen. Die Nutzer vereinbaren hierbei ihren Termin über die Patientenplattform und wählen dabei „Videosprechstunde” aus. Unmittelbar vor dem Termin erhalten sie alle notwendigen Informationen für das Gespräch und die technischen Voraussetzungen werden überprüft. Der Patient kann im digitalen Wartezimmer dem Arzt vorab Dokumente wie Laborwerte oder Befunde zukommen lassen. Für Ärzte ändert sich hierbei an der üblichen Arbeitsweise nichts. Während und nach der Sprechstunde hat der Mediziner zudem die Möglichkeit, Dokumente mit dem Patienten zu teilen.

Aufbau eines umfänglichen Ökosystems

Neben all diesen Neuerungen zeichnet sich noch eine weitere Entwicklung ab: Online-Versand-Apotheken drängen immer stärker in den Markt, allen voran Doc Morris. Das Unternehmen gehört zur Zur Rose Group, die 2018 die medpex Versandapotheke sowie im selben Jahr Apotal, ein Netzwerk für Diabetes-Patienten, übernommen hat. Die Unternehmensgruppe baut sich damit ein umfangreiches Gesundheitsökosystem auf. Nun macht Noventi Health, die auch an der zentralen Gesundheitsplattform beteiligt sind, mit einer provokanten Kampagne auf die Wichtigkeit von inhabergeführten Apotheken aufmerksam. „Im Gegensatz zu anderen Playern im Gesundheitsmarkt sind wir als apothekeneigene Unternehmensgruppe seit dem Jahr 1900 – und auch in Zukunft – der verlässliche Partner für die Apotheken vor Ort“, heißt es im Anzeigenmotiv. Die Apotheker befürchten, dass im Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens die sensible Aufgabe der Arzneimittelvergabe zunehmend ins Internet abwandern könnte. Die Kampagne soll die Politik nun auf dieses Problem aufmerksam machen.

Die Digitalisierung revolutioniert das Gesundheitswesen und bietet Patienten viele Vorteile. Digitale Dienste aus dem E-Health-Bereich vereinfachen den Zugang zu Ärzten und Medikamenten und werden bei den Nutzern immer beliebter. Spannend bleibt, ob und wann die großen Monopole aus den USA in den hiesigen Gesundheitsmarkt im großen Stil einsteigen. Der E-Health-Markt ist und bleibt jedenfalls in Bewegung.

Hinweis in eigener Sache: Die PR-Agentur Frau Wenk, deren Geschäftsführerin Andrea Buzzi auch Herausgeberin von Clutch ist, betreut mit ihrer Unit The Medial Network verschiedene Kunden aus der E-Health-Branche, darunter auch Doctolib.

(Beitragsbild: Doctolib)

Clutch-Redaktion