Von Julia Mengeler
Haut Ihr Sitznachbar im Büro auch immer lautstark in die Tasten? Oder fragen Sie sich, wie der Kollege am Tisch gegenüber es schafft, in einer Geschwindigkeit die Letter aufs digitale Papier zu bringen, die Sie vor Neid erblassen lässt – weil Sie eher der Tipp-Typ Adler sind? Jeder Mensch tippt eben anders. Tatsächlich ist das so individuell wie ein Fingerabdruck. Das junge rumänische Unternehmen TypingDNA hat eine KI-basierte Technologie entwickelt, die Menschen anhand ihres Tippverhaltens identifiziert.
Die Technologie von TypingDNA erfasst unter anderem detailliert, wie lange ein User Tasten gedrückt hält sowie die Zeitabstände zwischen einzelnen Tastenanschlägen. Dieses Verfahren nennt man Keylogging. Aus den Aufzeichnungen leitet die KI dann ein individuelles Tipp-Muster ab. Eine einzigartige „Handschrift“. Das Konzept ist nicht neu. Bereits Telegrafendienste im 19. Jahrhundert unterschieden sich durch einen Tipp-Rhythmus, eine Komposition aus Anschlägen und Geschwindigkeit. Im zweiten Weltkrieg konnten Nachrichtendienste so erkennen, ob der Absender eines Morsecodes Verbündeter oder Feind war.
Die Analyse der Tippdynamik (Keystroke Dynamics) zählt zur Verhaltensbiometrie. Ebenso wie Fingerabdruck und Gesichtserkennung ist die Art und Weise, wie eine Person die Tastatur bedient, einzigartig. Die Methode bietet zusätzlichen Schutz vor Identitätsbetrug und stellt eine sehr komfortable Möglichkeit zur User-Authentifizierung dar. Denn so würde beispielsweise beim Login die Verifizierung über ein zweites Endgerät und womöglich mehrere Passwörter obsolet. Während ein User sein Passwort eingibt, gleicht die KI das Tippverhalten mit anderen gespeicherten Mustern ab und sichert so den Zugang. Laut eigener Aussage des KI-Start-ups ist die Technologie beinahe zu 100 Prozent genau (99 bis 99,9 Prozent) – sowohl am Laptop als auch auf mobilen Endgeräten.
Kürzlich sammelte TypingDNA in einer Finanzierungsrunde 7 Millionen US-Dollar ein. Hauptgeldgeber: Google’s Gradient Ventures, das sich auf KI-Anwendungen fokussiert. Mittlerweile hat das 18-köpfige Unternehmen seinen Hauptsitz von Bukarest nach Brooklyn, New York verlegt. Zum Einsatz kommt die Lösung in den USA bei Payment- und Banking-Apps, Online-Lernplattformen und auch Apps von Behörden und Regierungseinrichtungen.
Machen Sie nun selbst den Test. Schließen Sie die Augen und hören sich um. Erkennen Sie dann Ihre Kollegen am Tipp-Rhythmus?
(Beitragsbild: Klaus Knuffmann)