Das Internet der Dinge, kurz IoT, gewinnt in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Die smarten Geräte, die physisch und virtuell miteinander verbunden werden, zum Beispiel Smart TV oder Sprachassistent, gehen bei den deutschen Unternehmen als auch im Alltagsleben jedes Einzelnen allmählich in Mark und Bein über. Weshalb das so ist, erklärt Jan Rodig, CEO bei tresmo, in einem Gastbeitrag für Clutch.
Das Internet der Dinge (IoT) gilt als nächster Evolutionsschritt in der Informationstechnologie. Die Auswirkungen werden gewaltig sein – sowohl für unseren Alltag als auch für die Unternehmen. Selbst traditionelle Branchen, die bisher eher konservativ mit dem Thema „Digitale Transformation“ umgegangen sind, stehen ganz neuen Herausforderungen gegenüber. Warum sehen Experten im IoT derart disruptives Potenzial? Und wie wird das IoT das Alltagsleben und ganze Geschäftsmodelle verändern?
Die meisten Technologien, die hinter dem IoT stecken, sind keineswegs neu. Doch erst mit den fallenden Preisen für immer leistungsfähigere Sensoren, Internet- und Cloud-Technologien für die Verarbeitung immer größerer Datenmengen und nicht zuletzt mit der flächendeckenden Verbreitung mobiler Endgeräte nahm das IoT richtig Fahrt auf. Vereinfacht betrachtet, funktioniert das IoT so: Sensoren an und in den physischen „Dingen“ erfassen Daten, die über das Internet transportiert und dann – häufig in der Cloud – analysiert, weiterverarbeitet und gespeichert werden. Auf Basis dieser Analysen können wertvolle Informationen generiert und die physischen Geräte teilweise auch ferngesteuert werden, zum Beispiel per Smartphone-App.
Von denkenden Heizungen und intelligenten T-Shirts
Ein gutes Beispiel hierfür sind „Smart Home“-Lösungen. Aus dem Zusammenspiel verschiedener Informationen, wie etwa dem Wetter und der Entfernung des Bewohners von der Wohnung mit den Geräten, wie Heizungen, Waschmaschinen oder Lampen, lässt sich errechnen, wie sich eine energieeffiziente Beheizung und Bewirtschaftung sicherstellen lässt – während es gleichzeitig angenehm warm ist, wenn der Bewohner nach Hause kommt. Tatsächlich dringt das IoT schon jetzt in immer mehr Lebensbereiche vor. Viele anfänglich skeptische Kunden nutzen – bewusst oder unbewusst – vernetzte Produkte. Dem noch vor einigen Jahren als Paradebeispiel gebrauchten selbstbestellenden Kühlschrank mochte man noch mit Achselzucken begegnen: Zu weit weg vom wahren Leben. Wenn aber heute T-Shirts mittels integrierten EKG-Sensoren die Körpertemperatur von Risiko-Patienten messen und aus der Analyse weiterer Daten vor einem möglichen Herzinfarkt warnen, dann wird das IoT zur lebensbegleitenden, sinnvollen Technologie. Auch die meisten modernen Autos sind bereits mit vielen IoT-Funktionen ausgestattet.
Neue Geschäftsmodelle für die Industrie 4.0
Noch deutlich interessantere Möglichkeiten bietet das IoT für die Industrie. Auch wenn unter dem häufig bemühten Schlagwort „Industrie 4.0” zumeist nur die vernetzte Fabrik verstanden wird, ist der Anwendungsbereich deutlich breiter. Insbesondere die Aufwertung physischer Produkte, wie beispielsweise Maschinen, durch ergänzende digitale Services und die Schaffung darauf aufbauender neuer Geschäftsmodelle eröffnen völlig neue Perspektiven für traditionelle Unternehmen.
Ein Beispiel: Ein Hersteller von Offshore-Windkraftanlagen kann mit Hilfe von Sensoren an seinen Windrädern schon lange im Voraus erkennen, wann eine Anlage aufgrund eines technischen Defekts ausfallen wird. So kann er seinen Kunden, den Betreibern der Anlagen, maßgeschneiderte und effiziente Wartungsleistungen anbieten. Weiterhin können auf Basis der Sensordaten viele weitere wertvolle Informationen gewonnen werden, die beispielsweise dabei helfen, den Betrieb der Anlagen vom Festland aus zu steuern und zu optimieren. Das spart nicht nur Kosten, sondern steigert die Effizienz der gesamten Anlage.
Wie aus dem bestehendem Angebot und dem IoT neue Geschäftsmodelle und Umsatzpotenziale erwachsen können, zeigt die Firma Kärcher. Der He
rsteller von Reinigungsgeräten und -systemen verkauft weiterhin seine Produkte, vernetzt diese aber gleichzeitig mit einer Service-Cloud. Kunden können so über ein Dashboard den Einsatz der Geräte steuern, Unterauslastung vermeiden und die Laderhythmen optimieren. Dabei bietet Kärcher nur die Basisfunktionen kostenlos an, zusätzliche Erlöse generiert das Unternehmen durch Premiumfunktionen.
Wo diese Reise hingeht
Es ist keine Frage, ob das IoT unser Alltagsleben und die strategische Ausrichtung von Unternehmen verändern wird, sondern in welchem Ausmaß. Ob sich eine IoT-basierte Lösung im Alltag der Menschen durchsetzt, hängt von deren Praxisnutzen ab. Und ob Unternehmen in der Lage sein werden, mit IoT-Lösungen zusätzliches Geld zu verdienen, muss sich in den meisten Branchen noch zeigen. Sicher scheint schon jetzt: IoT-Lösungen werden künftig weniger das besondere Herausstellungsmerkmal eines Produktes oder einer Lösung sein. Vielmehr werden solche ohne IoT-Funktionen vom Markt verschwinden, weil Kunden , egal ob privat oder geschäftlich, nicht mehr auf den zusätzlichen Mehrwert in Form von höherer Effizienz, Transparenz, Geschwindigkeit oder Bequemlichkeit verzichten wollen.
Über den Autor:
Als CEO des IoT-Dienstleisters tresmo verantwortet Jan Rodig die Beratung zu IoT-Innovationen und -Geschäftsmodellen sowie die technische Implementierung von IoT-Vorhaben für zahlreiche mittelständische und international agierende Industrieunternehmen wie VORWERK, Viessmann und TRUMPF Werkzeugmaschinen. Jan Rodig ist Mitautor des Fachbuches „Industrie 4.0 – Potenziale erkennen und umsetzen“, Keynote-Speaker und Mitglied der Arbeitsgruppe Forschung & Innovation der Initiative Plattform Industrie 4.0.
(Beitragsbild: Greg Snell Photography)