Die Themen Social-Media, Content-Marketing und Digital Customer Care stehen im Mittelpunkt des diesjährigen D2M SUMMIT am 17. und 18. Mai in Hamburg. Im Vorfeld der Veranstaltung haben wir mit Florian Stöhr, Leiter Muuuh! Digital, über Trends und Veränderungen im Kundenservice gesprochen. Im Rahmen des D2M Summit wird er am zweiten Tag an der Diskussion zum Thema „Zukunftsvisionen für den Digital Customer Service – zwischen Social Community & Bot-Automatismen“ teilnehmen.
Wie hat sich der Kundenservice durch die fortschreitende Digitalisierung bis heute verändert?
Der Kundenservice passt sich dem Kommunikationsverhalten der Gesellschaft an. Wenn wir uns in den Achtzigern zum Spielen verabredet haben, haben wir das entweder persönlich auf dem Schulhof oder per Telefon geregelt. Die Kinder heutzutage verabreden sich in Whatsapp-Gruppen. Leider gibt es immer noch Unternehmen, bei denen eine Kontaktaufnahme ausschließlich über das Callcenter möglich ist. Um in unserem Bild zu bleiben, sind sie in den Achtzigern stehen geblieben. Kundenservice in Zeiten der Digitalisierung beinhaltet vor allem Multichannel-Lösungen: Die Kunden möchten auswählen können, auf welchem Weg sie das Unternehmen kontaktieren. Sei es via Chat, Email, Online-Formular oder eben doch über das gute alte Telefon.
Welchen Beitrag leistet der Kundenservice für die Wertschöpfung eines Unternehmens?
Das ist in vielen Unternehmen eine sehr beliebte Diskussion. Kundenservice verursacht in den Augen vieler Verantwortlicher eigentlich nur Kosten. Gepaart ist dies meist mit einer fast ausschließlichen Neukundenfokussierung. Die Customer Experience hat jedoch einen entscheidenden Einfluss auf die Wertschöpfung eines Unternehmens. Neben der eigentlichen Produkterfahrung ist dafür hauptsächlich der Kundenservice verantwortlich. Und der wird in einer Welt vergleichbarer Produkte immer wichtiger.
Guter Kundenservice zahlt auch auf das Image ein. Die Unternehmen schaffen eine nach außen sichtbare Vertrauensbasis, die sich so auch positiv auf die Neukundengewinnung auswirkt. Vertraue ich als zukünftiger Kunde darauf, dass ich mich auch nach dem Kauf jederzeit an das Unternehmen wenden kann, ist es wahrscheinlicher, dass ich überhaupt kaufe. Außerdem spielt der Faktor Empfehlungsmarketing in der heutigen vernetzten Welt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Überall und jederzeit können Bewertungen, Ratings und Erfahrungsberichte eingesehen werden. Hier lässt sich also großes unentdecktes Potenzial im Faktor Kundenservice aufdecken.
Ist es nach heutigem Stand der Technik möglich, einen Kundenservice ohne Menschen anzubieten? Wenn ja, wie qualitativ hochwertig wäre dieser?
Natürlich wäre das theoretisch heute schon möglich, besonders bei einfachen Anfragen oder Produkten. Einige Gratis-Onlinedienste verstecken ja bereits seit Jahren die Möglichkeit, den Kundenservice zu kontaktieren, sehr geschickt. In der Realität ist das aber noch eine Fiktion, zumindest ein Human Fallback wird in den nächsten Jahren immer notwendig sein. Dafür fehlt den Systemen an vielen Stellen einfach noch die notwendige Intelligenz. Bei offener Kommunikation, das heißt nicht durch Multiple Choice eingeschränkten Optionen, sind die Möglichkeiten der Sprache einfach zu vielseitig, als dass ein Bot alles verstehen und vor allem beantworten könnte. Zusätzlich fehlt den Dienstleistern auch noch eine gehörige Portion Perfektion bei ihren eigenen Produkten und Systemen. Aber machen wir uns nichts vor. In wenigen Jahren werden immer mehr Aufgaben vollautomatisch ablaufen. Weil dadurch die Customer Experience steigt und vor allem weil es auf Dauer viel günstiger ist.
Wie sieht Ihre Zukunftsvision für den digitalen Kundenservice aus? Und wann wird Sie eintreten?
Kundenservice hat sich stets weiterentwickelt, leider nicht immer zum Guten. Wir werden in den nächsten Jahren eine kleine Bot-Welle erleben, sobald sich der erste Hype gelegt hat und die Bots dann auch wirklich leistungsfähig sind. Aber das ist auch nur ein Zwischenschritt. Ich hoffe langfristig auf eine Vernetzung der unterschiedlichen Systeme und auf Assistenten. Ein Beispiel: Das Internet in meiner Wohnung geht nicht mehr, ich beschwere mich durch Spracheingabe bei Alexa, Siri oder Co. Der Sprachassistent kümmert sich eigenständig um dieses Problem. Zunächst checkt er den Router, ob Internet aus der Dose kommt, anschließend fragt er bei meinem Telefonanbieter nach, warum das nicht der Fall ist. Dieser meldet, dass von meinem Konto nicht abgebucht werden konnte. Daraufhin löst der Assistent bei meiner Bank eine Zahlung aus, die vielleicht über Blockchain innerhalb weniger Sekunden bei der Telekom ankommt. Diese gibt meinem Assistenten die Rückmeldung, dass das Internet wieder aktiviert ist. Nach einem kurzen Check beim Router, ob dies auch wirklich stimmt, gibt mir mein Assistent die Rückmeldung, dass das Problem gelöst wurde. Der Weg dorthin ist noch weit, aber wir befinden uns alle schon auf dieser Reise.
Haben Sie selbst schon einmal als Privatperson einen Kundenservice erlebt, der Sie nachhaltig beeindruckt hat?
Oh ja, gerade erst letzte Woche. Ich habe unsere Heizung mit „Tado“ smart gemacht. Dabei installiert man als Laie alle Steuergeräte selbst an der Zentralheizung, inklusive Verkabelung usw. Die Installationsanleitung läuft komplett onlinegestützt und ist individuell gestaltet, inklusive einer Rückmeldung der Geräte. Die letzte Entscheidung war dann dennoch Roulette: Welchen Heizkreis hat die Fußbodenheizung, welchen Heizkreis die Heizkörper? Ich habe meiner Ansprechpartnerin bei „Tado“ daraufhin eine sorgenvolle Mail geschrieben. Die Rückmeldung hat mich auch nach Jahren im Kundenmanagement etwas geflasht: „Ich habe mir die Installationen mit Ihrer Heizung angeschaut […]. Da es in Ihrem Wohnzimmer bislang noch nicht richtig warm wurde, habe ich die Heizkreise getauscht. Ich beobachte die Temperaturen bei Ihnen zuhause bis zum Feierabend weiter.“ Dieses Beispiel zeigt übrigens auch schön die Chancen auf guten Kundenservice durch die zunehmende Vernetzung der Systeme.
Haben Sie einen Lieblingschatbot?
Ich mag den GrowthBot von Hubspot sehr gerne. Er liefert relevante Marketingdaten und das tolle daran ist, dass er im Wochentakt neue Fähigkeiten hinzulernt. Das Wissen ist momentan noch größtenteils auf die USA beschränkt. Aber auch hier sieht man die Schwäche dieser neuen Systeme – die Spracherkennung ist weit entfernt von einer perfekten Funktionalität.
Vielen Dank, Herr Stöhr, für das interessante Interview.
PS: Clutch ist Medienpartner des D2M Summit und bietet vergünstigte Tickets an. Alles darüber erfahrt ihr im Blog der Clutch-Herausgeberin Agentur Frau Wenk.
Dieses Interview führte Anne-Kathrin Richter, Projektleiterin von Clutch.
Aufgepasst: Clutch #2 kann übrigens hier bestellt werden. Erscheinungstermin unseres Printmagazins ist der 13. September 2017.