In den Krankenkassen herrscht Umbruchstimmung: Die elektronische Patientenakte und das E-Rezept sollen die Gesundheitsversorgung revolutionieren. Parallel dazu steigt die Vielfalt an digitalen Angeboten für Versicherte kontinuierlich. Rund 73 Millionen Menschen in Deutschland werden laut dem GKV Spitzenverband von gesetzlichen Krankenkassen versorgt. Viele von ihnen haben – oft noch ganz analog – regelmäßig ein Versichertenmagazin im Briefkasten, das über Themen rund um Gesundheit, Wellness und Lifestyle berichtet. Eine Chance für die Krankenkassen, sich als Vorreiter in Sachen Digitalisierung zu positionieren und Kunden mit digitalen Angeboten für sich zu gewinnen. Denn der Wettbewerb ist groß. Doch wie viel Digitalisierung steckt wirklich in den Titeln? Wir haben den Check gemacht und uns die Magazine von zehn großen Versicherern in einer Stichprobe genauer angesehen.
Brücke zwischen Print und Online
Eins haben alle Krankenkassen gemeinsam: Auch wenn ihre Magazine mehrmals im Jahr im Briefkasten der Versicherten landen, versuchen sie doch immer auch eine Brücke zu ihren Online-Angeboten zu schlagen. Per abgedrucktem Link, oder vereinzelt auch über QR-Codes, verweisen sie auf die eigene Website sowie die App. Häufig bietet eine Online-Ausgabe den Lesern zusätzliche Inhalte.
In den Magazinen geht es nicht nur um Gesundheitsthemen. Neben Beiträgen über Prävention und Therapie, Sporttipps, Rezeptideen und Krankenkassenleistungen finden auch gesellschaftspolitische Debatten wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und New Work statt. Die Digitalisierung bleibt in vielen Magazinen allerdings leider nur eine Randnotiz – dazu aber gleich mehr.
In Umfang, Aufmachung und der Papier-Qualität unterscheiden sich die Titel deutlich. Während die AOK Bayern das umfangreichste Heft produziert und dabei die Inhalte in einem klassischen 60-seitigen Magazinformat aufbereitet, ähnelt das Druckerzeugnis von Viactiv eher einem 40-seitigen Zeitungsformat. Mit 22 Seiten verfügt das Magazin der IKK über den geringsten Umfang.
Ob nun dick oder dünn. Groß oder klein. Alle Titel wirken professionell gemacht. Bereits das lässt darauf schließen, dass sie für die Krankenkassen ein wichtiges Instrument zur Kundenbindung sind.
Zielgruppen-spezifische Magazine
Vier der zehn von uns analysierten Krankenkassen veröffentlichen nicht nur ein Magazin für eine möglichst breite Leserschaft. Tatsächlich bringen sie zielgruppenspezifische Hefte heraus, um ihre Versicherten persönlicher anzusprechen. So splittet die TK beispielsweise ihre Print-Aktivitäten. Die 16- bis 29-Jähren bekommen das hippe und Vokal-lose „MGZN“, während allen anderen Kunden ab 30+ ganz klassisch „Das Magazin“ in den Briefkasten gesteckt bekommen. Die IKK dagegen veröffentlicht eine Ausgabe der „Gesund.Machen.“ für Arbeitnehmer sowie eine Ausgabe für Selbstständige.
Noch granularer geht die Knappschaft vor. Ihr Titel „tag“ spezifiziert sich nach Bundesländern und Alter. Zudem gibt es noch besondere Ausgaben für Familien mit Kindern bis zu einem bestimmten Alter sowie für Neukunden oder chronisch Kranke.
Ein letztes Beispiel: Die AOK Bayern verlegt „Das Gesundheitsmagazin“ für Familien, junge Frauen, Frauen ab 50 sowie Seniorinnen und Senioren. Junge Männer und Männer ab 50 ohne Familie bleiben dagegen außen vor.
Trotz dieser unterschiedlichen Ausrichtungen gehen die meisten Titel doch strategisch ähnlich vor. So bleiben die Top-Themen meist identisch. Die Redaktionen passen sie lediglich im Bildmaterial und Layout an die jeweilige Zielgruppe an. Andere Themen finden jedoch nur in einzelnen Heften ihren Platz: Dass New Work für Seniorinnen und Senioren wenig Relevanz hat und Gallensteine als Krankheitsbild für Versicherte unter 40 nur sehr selten eine Rolle spielen, scheinen die Krankenkassen in der Blattplanung zu berücksichtigen.
Digitaler Wandel als Thema
Jetzt aber zur Digitalisierung. Diese ist in allen Versichertenmagazinen zu finden, egal für welche Zielgruppe die Inhalte bestimmt sind. Die Umsetzung könnte jedoch verschiedener nicht sein: Von einem Halbsatz über Online-Sportkurse bis hin zu einem kompletten Heft mit Schwerpunkt „Digital durch die Krise“ ist alles dabei.
„Das Magazin“ der Techniker Krankenkasse widmet dem Thema eine komplette Ausgabe und konzentriert sich dabei nicht nur auf das Gesundheitswesen. Ein Porträt der Smart City Tallinn findet dort ebenso einen Platz wie Beiträge zu Videosprechstunden, Informationen zu Apps auf Rezept, papierlosen Kliniken und den TK-eigenen digitalen Angeboten.
„Gesund.Machen“ von der IKK beschäftigt sich dagegen in einem vierseitigen Beitrag mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), der elektronischen Patientenakte (ePa) und dem E-Rezept. Der Text wendet sich direkt an die Versicherten und stellt nicht nur Informationen zu den neuen Lösungen und Services bereit, sondern geht darauf ein, welche Auswirkungen sich daraus für Versicherte ergeben. Zudem gibt es Verweise auf weiterführende Informationen auf der Website. Ähnliche Beiträge zu Apps auf Rezept und dem E-Rezept finden sich auch im Magazin „fit!“ der DAK.
Work in progress
Liest man die Beiträge über DiGAs, die ePa und das E-Rezept, entsteht der Eindruck, die Digitalisierung sei längst im Gesundheitswesen angekommen. Dass die Versicherten häufig dennoch nicht gut informiert sind, zeigt eine aktuelle Umfrage der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände: 63 Prozent der Befragten haben wenige Monate vor Einführung des E-Rezepts noch gar nichts davon gehört.
Dieses Dilemma scheint auch die Techniker Krankenkasse erkannt zu haben. So positioniert sich deren Verwaltungsrat in einem einseitigen Beitrag ganz klar für digitale Versorgung auf hohem Niveau und fordert eine breite Vermittlung von digitaler Gesundheitskompetenz durch alle Initiativen. Der Bedarf scheint erkannt, konkreter wird die Forderung jedoch nicht.
Das Magazin „*Leben“ der SBK setzt bei der Kompetenz der Versicherten im Umgang mit digitalen Informationsquellen und Anwendungen an. In einem dreiseitigen Beitrag empfiehlt die Redaktion die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), stellt Siegel für vertrauenswürde Informationen vor und verweist auf Portale der Bundesregierung und offiziellen Institutionen. Vertrauen in digitale Innovationen zu stärken und Informationskompetenzen zu fördern seien besonders in Zeiten von Fake News unabdingbar, heißt es.
Dass Digitalisierung noch sehr unterschiedlich verstanden wird, zeigt das Magazin von Viactiv „Meine Krankenkasse. Meine Zeitung“. In dem Heft, das Clutch vorliegt, geht es nicht um ePA, DiGA oder ähnliches. In der Rubrik „Abteilung im Porträt“ stellt die Redaktion stattdessen das sogenannte Digitalisierungszentrum der Krankenkasse vor. Dahinter verbirgt sich ein Postzentrum, in dem täglich etwa 12.000 analoge Briefe eintreffen, die dort eingescannt und digital an die verschiedenen Abteilungen weitergegeben werden. Dazu gibt es im Heft Hinweise auf eine Online-Sprechstunde und Online-Kursdatenbanken. Nicht mehr – aber auch nicht weniger.
Das Fazit
Die Krankenkassen scheinen Digitalisierung als Thema für ihre Versichertenmagazine erkannt zu haben. Positiv überrascht hat uns „Das Magazin“ der Techniker Krankenkasse mit einer gesamten Ausgabe im Zeichen der Digitalisierung. Auch der Vorstoß der SBK, ihren Versicherten Tipps für die digitale Informationssuche an die Hand zu geben, sticht heraus. In allen anderen Titeln der Krankenkassen ist Digitalisierung ebenfalls ein Thema. Aus unserer Sicht ist jedoch klar: Ein QR-Code oder ein Hinweis auf eine App allein reichen nicht aus. Wir sehen noch viel Potential, denn besonders bei weniger digitalaffinen Menschen braucht es mehr Information und Aufklärung. Ein Thema, das die Krankenversicherungen sicher noch lange begleiten wird!
Überprüft haben wir
Für diesen Beitrag haben wir jeweils eine Ausgabe der Versichertenmagazine von TK, DAK, AOK Bayern, IKK classic, KKH, Knappschaft, SBK, Mobil Krankenkasse (vormals BKK Mobil Oil), Audi BKK und Viactiv genauer analysiert. Es handelt sich hierbei also um eine Momentaufnahme. Wie viele Raum digitale Themen in den Ausgaben davor oder danach einnehmen, ist nicht Teil dieses Textes.
Hinweis in eigener Sache: Mit The Medical Network hat die Agentur Frau Wenk, die Clutch herausgibt, eine eigene E-Health-Unit gegründet.