KI-Start-up anacision: „Wir machen unseren Job ehrlich. Wir versprechen nichts und genau dieses Vorgehen lockt intelligente Menschen an“

Anacision sitzt in einem schlichten, funktionalen Büro in einem Gewerbegebiet am Rand von Karlsruhe und verfügt über die besondere Fähigkeit, fast jeder Firma helfen zu können

In den arabischen Wüsten oder den schier unendlichen Weiten Sibiriens, fernab der großen Metropolen, werden die – noch immer – wirklich  wichtigen Rohstoffe gewonnen, die unsere Zivilisation antreiben: Gas und Öl – ohne sie keine Energie. Ihre Produktion ist wichtig, kompliziert und kostenintensiv. Umso entscheidender, dass diese auch möglichst reibungslos vonstatten geht. Jede noch so kleine Störung wird schnell sehr teuer – und genau an diesem Punkt konnte ein kleines KI-Start-up aus Karlsruhe einem großen Weltkonzern helfen, die Ausfallzeiten seiner Industrieanlagen merklich zu verringern.

Der große Konzern ist Linde und das junge Unternehmen hört auf den Namen anacision, sitzt in einem schlichten, funktionalen Büro in einem Gewerbegebiet am Rande der badischen Metropole und verfügt über die besondere Fähigkeit, fast jeder Firma helfen zu können. „Wir sind davon überzeugt, dass (eigentlich) jedes Unternehmen über Daten verfügt, die einen signifikanten Mehrwert schaffen können“, erklärt Geschäftsführer Markus Frondorf.

Tatsächlich ist es erst einmal gar nicht so einfach, zu begreifen, was er und sein Partner Rico Knapper mit ihrem 15-köpfigen Team, das ausschließlich aus Data Scientists besteht, aushecken. „Unsere Vision war es schon immer, dass wir helfen wollen, die Informationen mit KI Methoden  aus den Daten zu ermitteln und verständlich zu interpretieren, die Unternehmen wirklich brauchen, um bessere Entscheidungen treffen zu können. Dann sind sie auch produktiver und erfolgreicher“, ergänzt Co-Geschäftsführer Rico Knapper.

Predictive Maintenance-Best Case: Linde und die Luftzerlegungsmaschinen

Was das konkret bedeutet, lässt sich am einfachsten an zwei konkreten Beispielen erklären. So entwickelte anacision für die Linde AG, wie bereits im Einstieg angedeutet, einen Algorithmus, der in der Lage ist, Sensordaten von riesigen Luftzerlegungsanlagen so zu interpretieren, dass sich sehr genaue Voraussagen treffen lassen, wann die Maschinen gewartet und wann bestimmte Ersatzteile ausgetauscht werden müssen.

Diese Anlagen sind so groß wie ein Einfamilienhaus und ein wichtiger Bestandteil in allen Industrieanlagen, in denen Gase benötigt werden – wie beispielsweise in der  Gas- und Öl-Förderung. Sollte ein solches Gerät stillstehen, stoppt das den ganzen Produktionsprozess. In solchen Fällen kommt es schnell zu sehr hohen Ausfallkosten.

Nur um ein Gefühl für das Projekt zu bekommen: Jede Minute zeichnet Linde 650.000 Messwerte auf. Eine Zahl, die sich hoch anhört, aber erst durch die richtige Interpretation der Werte seine Wirkung entfalten kann. Das Resultat: Nach noch nicht einmal sechs Monaten hatte sich das Projekt amortisiert. So belaufen sich die Einsparungen wohl auf rund fünf Millionen Euro pro Jahr. Für den DAX-Riesen war die Kooperation mit anacision ein so wichtiger Schritt, dass der Weltkonzern das Projekt extra in seinem Geschäftsbericht vorstellte.

Die Dienstleiter der Karlsruher hört dabei auf den Fachbegriff Predictive Maintenance. Aber anacision kann nicht nur dafür sorgen, dass Industrieanlagen, Maschinen oder Fertigungsstraßen möglichst reibungslos und ohne ungeplante Verschleißausfälle laufen. 

Für eine Versicherung entwickelten die Data Scientists einen Algorithmus, der bei Unfällen der Versicherten der Frage nachgeht, ob das Unternehmen für alle Kosten aufkommen muss oder ob nicht auch noch andere Beteiligte möglicherweise regresspflichtig sind und wie hoch die zu erwartende Regresszahlungen sein können. In diesem Fall analysiert die KI natürlich keine Sensordaten, sondern Berichte und Texte. Das Resultat ist jedoch dasselbe: Nach kurzer Zeit hatte das Projekt sich bereits amortisiert.

Die Leute sollen sagen: „Wir treffen heute häufiger eine anacision, statt einer Bauchentscheidung“

Der Name der Badener ist ein Akronym aus den Begriffen Analytics und Decision (Entscheidung). „Schon in der Gründungsphase träumten wir davon, dass Unternehmen irgendwann ganz bewusst sagen würden: Wir treffen heute häufiger eine anacision“, erzählt Rico Knapper. „Also eine rationale Analyse, statt eine reine emotionale Bauchentscheidung, um dann noch bessere und fundierte Entscheidungen treffen zu können.“

Mit ihrem Ansatz setzt anacision auf einen Mix aus Beratung und praktischer Umsetzung. „Für uns ist KI kein Selbstzweck, sie muss stets einen Business-Mehrwert liefern“, sagt Frondorf. Er gründete das Start-up im Jahr 2015 zusammen mit Rico Knapper aus dem Beratungshaus EXXETA heraus. Der Informatiker, der bereits 1990 seine Diplomarbeit zu dem Thema „Steuerung eines autonomen Fahrzeugs mithilfe neuronaler Netze“ verfasst hatte, kommt eher aus der Beratung, während der ehemalige Rad-Profi und Mathematiker Knapper über einen wissenschaftlichen Background verfügt. So war er unter anderem Bereichsleiter am FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe. Im Herbst 2018 beteiligte sich noch der Maschinenbauriese EMAG an anacision.

Allein dies ist ein sichtbarer Ausdruck des höchst praktischen Ansatzes der Karlsruher. Sie sind ganz bodenständig mit der Industrie und ihren Nöten verbunden. Es geht um das Machbare und nicht darum, die komplexeste Zukunftsvision der Industrie zu entwickeln, ohne im Hier und Jetzt zu arbeiten. „Ein nicht zu unterscheidender Faktor ist dabei unsere Herangehensweise: Wir machen unseren Job ehrlich“, sagt Frondorf. „Wir versprechen nichts und genau dieses Vorgehen lockt intelligente Menschen an.“

(Beitragsbild: anacision GmbH)

Hinweis in eigener Sache: Anacision ist Kunde der PR-Agentur Frau Wenk, deren Geschäftsführerin Andrea Buzzi auch Herausgeberin von Clutch ist. 

Clutch-Redaktion