„Für mich gibt es nur die beste Kommunikation“

Nikolaus von Graeve im Interview mit Clutch

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Das Marketing wird immer persönlicher und findet inzwischen auf einer Vielzahl von Kanälen statt. Das stellt Marketer vor Herausforderungen. Wir sprachen mit Nikolaus von Graeve, Inhaber und Geschäftsführer von rabbit eMarketing, auf der von der Agentur veranstalteten One-to-One Multichannel Konferenz über gelungene Kommunikation, die Zukunft der E-Mail, Künstliche Intelligenz im Marketing und die Digitalisierung.

Unter One-to-One Multichannel-Marketing verstehen Sie die Ausspielung von individuell auf den Empfänger zugeschnittenen Inhalten auf den verschiedensten Online- und Offline-Kanälen. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Erfolgsfaktoren von One-to-One Multichannel-Marketing?

Bei der Einführung von One-to-One Multichannel-Marketing kommt es vor allem auf drei wesentliche Aspekte an. Zum einen ist es wichtig, dass man die notwendigen Daten zur Verfügung hat. Wir nennen das die Infrastruktur. Dann weiß ich, mit wem ich kommunizieren darf, ob Content vorhanden ist und wenn er da ist, ob er automatisiert verfügbar ist. Der zweite Aspekt ist die Technologie, die es mir ermöglicht, individualisiert über verschiedene Kanäle zu kommunizieren. Und der dritte, eigentlich der wichtigste Teil, sind die Mitarbeiter, die in der Lage sind, ein anderes Verhalten an den Tag zu legen und eben nicht zu sagen „Ich mache die Kampagne, sondern ich mache diese verschiedenen Kampagnen“. Neben diesem veränderten Verhalten braucht es aber auch eine zündende Idee, ein tolles Konzept. Man muss sich in Menschen hineinversetzen und überlegen, was könnte jetzt für diese Person das Richtige sein.

Das Konzept spielt also ebenfalls eine wichtige Rolle. Wann wurden Sie das letzte Mal von einer Marke positiv überrascht?

Ich wollte Messer kaufen und habe in einem Onlineshop nach einer Anfrage eine individuelle Botschaft zurückbekommen, bei der ich sehr intensiv darüber nachdenken musste, ob das jetzt automatisiert generiert war oder wirklich von einem Menschen kam. Das hat mich sehr beeindruckt. Das war eine Interaktion, die so persönlich war, dass ich mich dort gut aufgehoben gefühlt habe.

Haben Sie dort am Ende auch gekauft?

Ich habe gekauft, weil ich das Gefühl hatte, da versteht wirklich einer, was ich möchte.

Die E-Mail ist ein wichtiger Bestandteil des One-to-One Multichannel-Marketings. Wird es die E-Mail in den nächsten 30 Jahren noch geben?

Die E-Mail hat vier wesentliche Aspekte, die sie erfolgreich macht – jetzt und auch in Zukunft. Der erste Aspekt ist, dass sie der erste und einzige Kanal ist, über den ich nicht kommunizieren darf, wenn ich nicht die Einwilligung dazu habe. Außerdem ist die E-Mail ein Push-Kanal. Man muss nicht warten und hoffen, dass eventuell mal jemand vorbeikommt, den das vielleicht interessiert, sondern man kann einen Zeitpunkt definieren und dann die Botschaft rausschicken. Der dritte Punkt ist die Tatsache, dass die E-Mail triggerbar ist. Man kann damit situationsabhängig kommunizieren. Der vierte Aspekt ist schon fast eine Binsenweisheit. Ich kann sie personalisieren und individualisieren und bin mit der E-Mail in der Lage, echte One-to-One-Kommunikation zu machen: die richtige Botschaft zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Frequenz.

Wie viele Newsletter haben sie eigentlich selbst abonniert und gibt es einen, der aus Ihrer Sicht in letzter Zeit besonders hervorgestochen ist?

Ich abonniere alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Ich bin extrem neugierig und ein großer Fan davon, situationsabhängig meine Mails zu bekommen. Sie also dann zu erhalten, wenn es relevant ist. Für mich gibt es nicht die beste Mail. Für mich gibt es vielmehr die beste Kommunikation. Ich bin da sehr offen, was das Medium betrifft. Wichtig ist, dass mich die Botschaft berührt.

Wie kann der Einsatz von Daten das One-to-one-Marketing verändern?

Man muss grundsätzlich zwei verschiedene Arten von Daten betrachten. Das eine sind Daten, die sagen, wer wann eine Botschaft bekommen soll, und das andere sind Daten, die die Botschaft betreffen. Firmen müssen sich bewusst machen, dass diese Daten standardisiert und strukturiert werden müssen. Sie müssen sich aber den Wert der Daten vor Augen halten. Ich habe beispielsweise kein Verständnis dafür, dass Firmen Analysen durchführen und die zugrunde liegenden Daten nicht selber speichern und auswerten. Unternehmen müssen sich sehr viel intensiver mit der Frage auseinandersetzen, was sie eigentlich über ihre Kunden wissen und wie sie diese Informationen nutzbar machen.

Artificial Intelligence (AI) verspricht, die Bedürfnisse der User zu erkennen. Glauben Sie, dass AI One-to-One-Marketing noch besser machen kann?

Es wird viel Zeit in die Analyse von Daten gesteckt. Aber diese Analysen sind möglicherweise nicht gleich verfügbar. Ich bin Fan von Operational Intelligence, also Analysen, die auch direkt in Maßnahmen münden. AI kann Teile der Kommunikation besser machen, also welches Produkt passt, welcher Button wäre jetzt besser, in welchem Punkt im Entscheidungsprozess befindet sich der Kunde. Da kann AI helfen, in der eigentlich kreativen Phase allerdings noch nicht. Wir dürfen bei all der Künstlichen Intelligenz nicht die emotionale Intelligenz der Menschen außer Acht lassen. Es geht ja immer darum, beim Kunden etwas auslösen, dass irgendetwas im Kunden passiert. Das muss von Menschen erschaffen werden. Erst dann kann man Teile davon automatisieren. Vielleicht wird es eines Tages anders sein, aber noch habe ich eher die Sorge, dass man zu früh auf Künstliche Intelligenz setzt und dabei den eigentlichen Wert der Kommunikation vernachlässigt.

Kommen wir abschließend zu unserer Leitfrage aus Clutch #2. Hat die Digitalisierung Sie glücklicher gemacht?

Ja, hat sie. Wenn ich alleine an Video-Telefonie und Messenger-Dienste denke. Es gibt so viele Möglichkeiten, zueinanderzufinden, wenn man räumlich getrennt ist, die früher nicht möglich gewesen sind. Ein reines Telefonat ist lange nicht so gut wie FaceTime über ein iPad. Für mich ist die Digitalisierung daher ein Gewinn. Das für viele die Digitalisierung ein Nachteil ist und sie sich gehetzt fühlen, liegt an der mangelnden Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen. Nur weil ein Gerät in der Lage ist, mir eine Botschaft in Echtzeit zu schicken, heißt es doch nicht, dass ich mich dem aussetzen muss. Ich kann es abschalten, es unterdrücken oder einfach nicht hingucken. In meinem letzten Urlaub habe ich beispielsweise drei Wochen keine einzige E-Mail gelesen.

Das Gespräch führte Stefanie Müller.

(Beitragsbild: rabbit eMarketing)

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Clutch-Redaktion