„Design muss die komplexe Technik für Menschen anwendbar machen“

Clutch logo Andreas Enslin, Design-Chef bei Miele im Interview

Die Bewegung an frischer Luft fördert die Kreativität. Andreas Enslin, seit 2005 Design-Chef bei der Traditionsmarke Miele, weiß um dieses inspirierende Umfeld. Er lädt die Teilnehmer des 10. Deutschen Innovationsgipfels, der am 9. März in München stattfindet, zu einer buchstäblichen Wanderung ein, dem „innovation.walk“.
Wir haben vorab mit ihm gesprochen, was die Teilnehmer bei dem Format erwartet. Im Interview verrät er Clutch außerdem, wie es die Produktentwicklung schafft, mit Innovationen im Bereich Internet of Things mitzuhalten und gibt Einblicke, welche Visionen Miele im Bereich Virtual Reality und Künstliche Intelligenz hat.

Herr Enslin, Sie sprechen auf dem Deutschen Innovationsgipfel zum Thema „Luxus ist der neue Verzicht. Wie sich Wirtschaft und die Produktentwicklung verändern müssen“. Können Sie uns einen kleinen Vorgeschmack Ihres innovation.walks geben?

Meine Idee ist, dass der innovation.walk erlebbar machen soll, was wir in Deutschland – dem Land der Ideen – verändern müssen. Sein „Design“ beinhaltet die Elemente Aktivität, Mut zu Neuem, Aufbruch ins Unbekannte und Agilität. Dafür brauchen wir jetzt Taten, denn Folien haben wir genug gesehen. Falls es regnet, müssen wir uns eben etwas einfallen lassen, um nicht nass zu werden. Für mich als Designer wird es interessant zu sehen, ob meine Idee vom Lernen auch hier funktioniert. Lernen geht leichter, wenn es an Emotionen geknüpft ist. Denken geht besser, wenn wir in der Natur aktiv sind. Das wussten schon die griechischen Philosophen und auch amerikanische Präsidenten, die gerne in der Natur von Camp David Nahostpolitik gemacht haben.

Hausgeräte werden immer intelligenter, werden selbst ihre Verbrauchsmittel im Internet bestellen und mit uns reden. Internet of Things ist ein großer Markt, der an Fahrt und Geschwindigkeit aufnehmen wird. Wie schafft es die Produktentwicklung da mitzuhalten?

Tatsächlich ist das Risiko, während einer Entwicklung überholt zu werden, heute größer denn je. Denn nicht nur die Geschwindigkeit hat enorm zugenommen, sondern auch die Komplexität. Beide Kurven schießen zurzeit gleichzeitig exponentiell nach oben. Ein Weg, auch mit begrenzten Ressourcen mitzuhalten, ist der, sich zum Beispiel mit Hilfe eines Zukunftsszenarios zukünftige Anforderungen vor Augen zu führen. Dann gilt es, zu beurteilen, was sich wohl durchsetzen wird – und was eben nicht. Es geht also darum, den Lösungsraum nicht aus dem Heute heraus zu definieren, sondern eine Rückwärtsbetrachtung aus einer möglichen Zukunft zu machen: Was muss ich heute entwickeln, um anbieten zu können, was morgen nachgefragt wird. Dazu wird die visionäre Kraft der Designer gebraucht. Bilder und Designstudien sind die Medien, die helfen, Ideen sichtbar zu machen und zu kommunizieren. Dann kommen die Lösungen gefühlt auf einen zu, statt den Eindruck zu haben, nicht schnell genug hinter den Entwicklungen herlaufen zu können.

Miele_Invisible_kitchen
Mehr als 23.000 Besucher sahen Mieles Vision von der Küche der Zukunft „The Invisible Kitchen“ im Rahmen der Milan Design Week 2016. Dabei handelt es sich um eine ringförmige Installation von acht Metern Durchmesser und mehreren Tonnen Gewicht. Zwei Köche bereiteten ein 3-Gänge-Menü zu und wurden dabei von einem virtuellen Kochassistenten unterstützt. Bild: Miele

Miele hat im letzten Jahr auf der Milan Design Week die „Invisible Kitchen“ inszeniert, bei der ein virtueller Assistent dem Nutzer während des gesamten Kochprozesses zur Seite steht. Wie sehr ist das noch Zukunftsmusik?
Ich hatte schon letztes Jahr betont, dass die erforderlichen Technologien dazu bereits weitgehend vorhanden sind. Obwohl sicher noch nicht alles beherrscht wird, sind die gezeigten Use Cases prinzipiell aber alle umsetzbar. Es ist also weniger eine Frage der Technologien als eine Frage der Akzeptanz. Heute sind es unsere Kunden noch nicht gewohnt, mit einer künstlichen Intelligenz zu sprechen oder darauf zu vertrauen, dass sich das Kochfeld abschaltet, bevor etwas anbrennt. Unser Forschungsprojekt „KogniHome“ zeigt genau dies, und die Technik ist machbar. Sicher wird noch viel Aufwand erforderlich sein, diese Systeme in die Küche zu bringen. Es wird aber wie beim autonomen Fahren auch eine Frage sein, ob die Technologien auch von Menschen genutzt werden können, ob sie einen Wert darstellen und in der einen oder anderen Form wirklich etwas verbessern. Das Design muss hier die komplexe Technik für Menschen anwendbar und zugänglich machen. Auch bei der „Invisible Kitchen“ stand nicht die Technik im Vordergrund, sondern der Mensch – vertreten durch einen Kochnovizen und einen versierten Hobbykoch mit all seinen Bedürfnissen, Erwartungen, Fähigkeiten und auch Grenzen.

Vielen Dank, Herr Enslin, für das Interview.

Über den Deutschen Innovationsgipfel:
Der DEUTSCHE INNOVATIONSGIPFEL (DI) ist ein branchen-, fach- und technologieübergreifendes Entscheidertreffen zu allen Facetten der Digitalisierung. Dabei geht es um Know-how- und Ideenvermittlung sowie Best Practices in allen Unternehmensgrößen vom Start-up über den Mittelstand bis hin zu Global Brands. Clutch ist Medienpartner des Events.

Das Interview führte Anne-Kathrin Richter, Projektleiterin von Clutch.

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Clutch #2 kann übrigens hier bestellt werden. Erscheinungstermin ist der 13. September 2017.

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Clutch-Redaktion